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Nibelungengold 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungengold 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Gewimmel so unübersichtlich, daß nicht auszumachen war, welche Seite die Oberhand gewann. Zwar kämpften die Krieger unter voller Bewaffnung und waren durch Helme und Brünnen geschützt, doch die Sklaven waren ihnen an Zahl um ein Vielfaches überlegen. Immer wieder gingen einzelne Drachenkrieger unter dem bloßen Ansturm von Körpern zu Boden. Überall tobten Duelle zwischen den Männern des Geweihten und verzweifelten Sklaven, die die Waffen der Toten ergriffen hatten. Einige der Drachenkrieger trugen Hörner, doch niemand machte Anstalten, sie einzusetzen. Ihr Meister mußte klare Befehle gegeben haben.
    Mütterchen rief Löwenzahn zu, sich ebenfalls feuchte Erde in die Ohren zu stopfen. Er tat es, wenn auch widerwillig, dann liefen sie gemeinsam in die Richtung des Haupttors. Der Riese zog die stolpernde Marret hinter sich her.
    Plötzlich blieb Mütterchen stehen. Sie wußte noch immer nicht, wem sie das Chaos zu verdanken hatten. Neugierig fuhr sie herum und blickte hinauf zu den Zinnen, in der Erwartung, ein feindliches Heer zu erblicken, das über die Wehrgänge quoll.
    Dort aber stand, einsam und grimmig im Ansturm der Drachenkrieger, ein einzelner Mann.
    Mütterchen fuhr wie vom Blitz getroffen zusammen, als sie ihn erkannte.
    »Der Rabengott!« entfuhr es ihr fassungslos.
    Auch Löwenzahn starrte beeindruckt zur Mauer empor. Der Anblick verschlug ihm die Sprache.
    Schwarz wehte der lange Mantel des Gottes im Wind, und grausam wütete sein Schwert unter den Kriegern des Geweihten. Der Langbogen, mit dem er die Seilwinden in Brand geschossen hatte, lag achtlos am Boden. Die langen Rabenfedern an seinen Schultern flatterten wie lebende Vogelschwingen. Aufgrund der Enge konnten ihm immer nur zwei zugleich entgegentreten. Vor ihm türmte sich bereits ein Wall aus Toten und Verwundeten auf, den er geschickt als Schutz für sich zu nutzen wußte. Und immer noch schlug und hackte seine Klinge, ließ Brustpanzer bersten und Helme zerspringen. Bereits ein gutes Dutzend Männer mußte seiner Wut zum Opfer gefallen sein, und immer noch kamen mehr und mehr die Stufen heraufgestürmt, kletterten über die Leichen ihrer Kameraden und drangen auf den Kämpfer ein.
    In Mütterchens Kopf herrschte eine unheimliche Stille. Durch die Erdbrocken in ihren Ohren nahm sie nichts wahr; alles, was sie hörte, war das Rauschen ihres eigenen Blutes, ihr Pulsschlag und das aufgeregte Wummern ihres Herzens. Die Schlacht um sie herum erschien ihr immer unwirklicher, und das Auftauchen des Rabengottes verstärkte diesen Eindruck. Ihr war, als stolperte sie durch einen blutrünstigen Traum.
    Unterhalb der Mauer hatte eine Reihe von Armbrustschützen Aufstellung bezogen. Sorgfältig legten sie auf den schwarzen Kämpen oben auf den Zinnen an. Dann zuckten die Bolzen empor.
    Alle bis auf einen schlugen in einen verwundeten Drachenkrieger, den der Kämpfer im letzten Augenblick als Schutzschild vor den eigenen Körper riß. Eine Stahlspitze aber durchschlug das Bein des Toten und bohrte sich dahinter in den Oberschenkel des Rabengottes.
    »Er ist kein Gott«, flüsterte Mütterchen gebannt. Ihrer Ehrfurcht aber tat das keinen Abbruch; was für ein Mensch nahm es freiwillig mit solch einer Übermacht auf?
    Ihr blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Löwenzahn rannte plötzlich auf sie zu, stieß sie grob an und bedeutete ihr stumm, zum Tor zu laufen. Marret war noch immer hinter ihm, ihr Handgelenk in seiner Faust, mit unglücklicher Miene und dem Glanz der lodernden Feuer in den Augen.
    Noch zwanzig Schritte mochten sie vom heißumkämpften Torbogen trennen, als die ersten Krieger und Sklaven ihre Waffen fallenließen und die Hände vor die Ohren schlugen.
    Da wußte Mütterchen, daß der Zorn des Geweihten über sie kam.
     

     
    Alberich lauschte wieder der Melodie, die nur in seinem Kopf ertönte, als ihn ein heftiger Ruck aus seinen Träumen riß. Er schlug die Augen auf, spürte schlagartig, daß ihn etwas zu Boden drückte und versuchte verzweifelt, sich freizukämpfen.
    »Alberich!« zischte eine Stimme in sein Ohr. Und noch einmal: »Alberich, bleib ruhig!«
    Er erkannte Geist und hielt augenblicklich inne. Er wußte wieder, wo er war und in welcher Gefahr sie schwebten. Das Waldfräulein hielt ihn immer noch engumschlungen. Er fürchtete schon, sein dummes Gestrampel hätte die Krieger auf sie aufmerksam gemacht.
    Irgend etwas war passiert. Der Wagen hatte angehalten, und flackerndes Licht beschien die Erdwälle auf der

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