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Nibelungengold 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungengold 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Löwenzahn schien den Gegnern immer noch standzuhalten.
    »Du wirst es tun!« sagte der Geweihte noch einmal. Wieder schien es, als bewegten sich die Schatten der Geweihmaske über sein Gesicht. Was immer an Menschlichem noch in ihm war, es hatte den Widerstand gegen den Zauber längst aufgegeben. Geist fragte sich, ob ein Großteil dieses Zaubers nicht schlichter Wahnsinn war, von uralten Mächten verdreht und verrenkt, bis er den Anschein von etwas Magischem hatte.
    Als er seinen Griff um ihre Oberarme lockerte, da war ihr, als weiche ein Gespenst aus ihrem Denken, ein Hauch von Kälte, der alle ihre Sinne erbeben ließ. An seine Stelle trat wieder die Melodie, die Qual des Drachen, die sich mehr und mehr auf sie selbst übertrug. Sie mußte es beenden, mußte ihm geben, was er verlangte, damit die Pein dieses Wesens vorüberging.
    Sie nickte dem Geweihten zu, mit der Selbstverständlichkeit eines Traumes. Ja, sie würde in den Drachen eindringen. Und sie würde tun, was nötig war, seinen Leib mit neuem Leben zu befruchten.
    Er war ihresgleichen, sie war wie er. Sie spürte diese Verwandtschaft mit jedem Augenblick deutlicher, und sie erfüllte sie mit heißem Glück.
    Geist akzeptierte ihr eigenes Wesen gemeinsam mit dem seinen, sie wußte, wer sie war.
    Endlich war sie bereit.
    Für den Drachen, für sich selbst.
     

     
    Kreischend brach der erste Balken aus seiner Verankerung. Alberich trat und stampfte, bis das Drachenblut über seinen Kopf hinaus spritzte, sprang voller Wut umher, bis abzusehen war, daß die gesamte wacklige Konstruktion in den nächsten Augenblicken aus der Wand splittern würde. Da stieß er sich mit beiden Füßen ab, bekam den Rand der Stollenöffnung zu fassen und zog sich mit letzter Kraft nach oben. Unter ihm gaben die Stützbalken nach, Seile rissen, und Nägel wurden aus dem Holz gezerrt. Einen Augenblick lang sah es aus, als wollte sich das ganze Becken zusammenfalten wie ein Stück Pergament, dann ertönte ein Knirschen, und das sperrige Gebilde stürzte taumelnd in die Tiefe. Immer wieder prallten seine Ecken unter Getöse an die Felswand, weitere Bretter lösten sich, und eine dunkelrote Blutfontäne ergoß sich in den Abgrund. Als das Becken auf dem Fluß zerschellte, breitete sich rundherum ein Strudel aus rotem Schaum aus, der eilig von den Wogen davongetragen wurde. Innerhalb weniger Herzschläge waren nur noch ein paar Latten zu sehen, die wie Spuren eines Schiffsuntergangs nach Norden trieben, schwarzes, splittriges Treibholz.
    Alberich kauerte im Eingang des Stollens und blickte den Trümmern mit wilder Befriedigung nach. Der Geweihte und seine Männer würden das Drachenblut nicht mehr mißbrauchen. Die Melodie in seinem Schädel setzte einen Moment lang aus, kehrte aber wieder, als er durch den Stollen ins Innere der Felswand blickte. Es war noch nicht vorüber.
    Erst allmählich dämmerte ihm die Ausweglosigkeit seiner Lage. Der Stollen mußte im leeren Hohlraum des Blutsees enden, unterhalb der oberen, versteinerten Schichten. Von dort aus gab es keinen Ausgang. Oben an der Kante wiederum lauerten die Krieger des Geweihten, und er sah bereits bildhaft vor sich, wonach ihnen der Sinn stehen würde, wenn sie ihn in die Finger bekämen.
    Eines aber stimmte ihn nachdenklich. Eine ganze Weile schon war kein Versuch mehr unternommen worden, ihn von seinem Zerstörungswerk abzuhalten. Keine Pfeile und Armbrustbolzen mehr, keine weiteren Männer, die abgeseilt wurden. Der Tote baumelte noch immer auf Höhe des Stollens im Wind, sein zertrümmertes Gesicht war Alberich anklagend zugewandt. Niemand schien es für nötig zu halten, ihn abzuschneiden oder hochzuziehen.
    Reichte dem Geweihten ein einziger Eimer mit Drachenblut? Seine Männer zumindest würden sich kaum damit zufriedengeben.
    Ein eiskalter Wind peitschte um die Klippe. Der zugige Stolleneingang wurde von tückischen Böen heimgesucht, die Alberich fast in den Abgrund rissen. Gerade wollte er sich tiefer in den Gang zurückziehen, als er einer Bewegung am oberen Felsrand gewahr wurde.
    Ein hageres Gesicht schob sich über die Kante. Der Mann hatte nur ein Auge. Ein Windstoß trieb einen Kranz aus Rabenfedern um seinen Hinterkopf; es sah aus wie ein schwarzer Heiligenschein.
    Alberich begann am ganzen Leib zu zittern, als er sich an die Gestalt aus der Sturmnacht erinnerte. An Wodan, den Herrn aller Götter. An den Rabengott.
    Die Erscheinung riß den Mund auf, brüllte gegen den tosenden Wind etwas zu ihm herunter

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