Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
schlecht, wie du aussiehst«, antwortete er.
Sophie stand langsam auf und half dann ihrem Bruder auf die Beine. Sie sah sich um, doch die Landschaft wies keine Besonderheiten auf, die sie wiedererkannt hätte. »Wo sind wir?«
»Ich glaube, nördlich von San Francisco«, antwortete er.
Ein Stück weiter unten am Hang bewegte sich etwas und wirbelte den Nebel durcheinander. Die drei wandten sich der Gestalt zu in dem Wissen, dass sie keine Kraft zum Kämpfen mehr haben würden, falls es sich um einen Feind handelte. Selbst zum Weglaufen waren sie zu erschöpft.
Perenelle Flamel erschien. Sie sah souverän und elegant aus, obwohl sie merkwürdig gekleidet war: Über einem Hemd und einer Hose aus rauem Stoff trug sie einen schmutzigen schwarzen Mantel. »Ich warte schon eine halbe Ewigkeit auf euch!«, rief sie und kam mit einem strahlenden Lächeln den Berg herauf.
Die Zauberin schlang die Arme um die Zwillinge und drückte sie fest an sich. »Wie schön, euch heil und gesund wiederzusehen. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.« Sie berührte Sophies Wange, eine Schramme auf Joshs Stirn und die Wunden an seinem Arm. Beide spürten die kribbelnd aufsteigende Wärme, und Josh konnte mitansehen, wie Sophies Schwellungen zurückgingen.
»Es ist schön, wieder daheim zu sein«, sagte er.
Sophie nickte zustimmend. »Und es ist schön, dich wiederzusehen, Perry.«
Nicholas nahm seine Frau in die Arme und hielt sie lange wortlos fest. Dann trat er einen Schritt zurück, die Hände auf ihren Schultern, und betrachtete sie kritisch. »Du siehst gut aus, meine Liebe.«
»Ich sehe alt aus, gib es zu«, sagte sie. Sie ließ den Blick über sein Gesicht gleiten, sah die neu hinzugekommenen Falten und die alten, die sich tiefer eingegraben hatten. Mit dem Zeigefinger strich sie weiße Aura über seine zahlreichen Schrammen und Schwellungen und heilte sie. »Wenn auch nicht so alt wie du. Obwohl du zehn Jahre jünger bist«, erinnerte sie ihn lächelnd. »Aber heute siehst du zum ersten Mal, seit wir zusammen sind, älter aus als ich.«
»Wir haben ein paar interessante Tage hinter uns«, meinte Flamel. »Aber wie bist du hierhergekommen? Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, warst du auf Alcatraz gefangen.«
»Ich kann jetzt von mir behaupten, dass ich zu den ganz, ganz wenigen Gefangenen gehöre, die von der Felseninsel fliehen konnten.« Sie hängte sich bei ihm ein und führte ihn durch den nachmittäglichen Nebel den Berg hinunter. Die Zwillinge folgten mit ein paar Schritten Abstand. »Du kannst stolz auf mich sein, Nicholas«, sagte sie, »ich bin ganz allein hierhergefahren.«
»Ich bin immer stolz auf dich.« Er hielt kurz inne. »Aber wir haben doch gar kein Auto.«
E PILOG
D r. John Dee lag im weichen Gras und blickte hinauf in den Nachthimmel. Er beobachtete, wie der goldene und der silberne Schimmer am Himmel verblassten, und er roch selbst aus der Entfernung ganz schwach noch den Duft von Vanille und Orange. Polizeihubschrauber dröhnten in der Luft und überall heulten Sirenen.
Dann war den Zwillingen und Flamel also die Flucht gelungen.
Und sie hatten sein Leben und seine Zukunft mitgenommen. Er hatte seit dem fehlgeschlagenen Angriff in der vergangenen Nacht von geborgter Zeit gelebt. Jetzt war er ein dead man walking , ein zum Tode Verurteilter auf dem Weg zur Hinrichtung.
Der Magier setzte sich langsam auf und befühlte seinen rechten Arm. Er war taub von den Fingerspitzen bis hinauf zur Schulter, wo Clarent ihn mit voller Wucht getroffen hatte. Vielleicht war er gebrochen.
Clarent .
Er hatte gesehen, wie der Junge das Schwert nach ihm geworfen hatte … Nicht aber, wie er es wieder aufhob. Dee blickte sich um und sah die Waffe neben sich auf dem Boden liegen. Vorsichtig, fast andächtig hob er sie auf und legte sich dann wieder flach auf den Rücken, die Klinge auf der Brust, die Hände über dem Griff gefaltet.
Fünfhundert Jahre lang war er hinter dieser Waffe her gewesen. Die Suche nach ihr hatte ihn über die ganze Welt und in etliche Schattenreiche geführt. Er lachte, ein hohes, fast hysterisches Lachen. Und jetzt hatte er sie endlich fast genau da gefunden, wo er begonnen hatte. Eine der ersten Stellen, an denen er nach der Waffe gesucht hatte, war unter dem Altarstein von Stonehenge gewesen. Er war damals fünfzehn Jahre alt und Heinrich VIII. hatte auf dem englischen Thron gesessen.
Dee griff unter seinen Mantel und zog mit der rechten Hand Excalibur hervor. Dann reckte er
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