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Nicht die Welt (German Edition)

Nicht die Welt (German Edition)

Titel: Nicht die Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Krepinsky
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Zeit bleibt mir sowieso nicht mehr.«
    »Wie lange lebst du schon hier?«
    »Seit dem großen Krieg. Ich war ein Soldat des Ostens.« Der alte Säuberer blickte kurz zu ihm auf. »Na ja, ein Feind also. Nach den Kämpfen in der Stadt zog sich meine Armee hastig zurück, wie du weißt. Alles war sehr ungeordnet, viele blieben zurück, vor allem Verwundete. Die Menschen hier haben einige erschlagen, andere hatten mehr Glück. Dazu gehöre ich. Mich hat eine alte Frau gerettet, die ihren Sohn im Krieg verloren hatte. Es war eine gute Frau.« Der alte Säuberer lächelte. »Ich blieb also in der Stadt und arbeitete mal hier, mal da. Später habe ich dann die Arbeit am Werk bekommen. Es war eine ehrliche und gut bezahlte Arbeit.«
    »Du bist nie evakuiert worden?«, fragte der junge Mann ungläubig.
    »Nein, ich habe eine lange Zeit im großen Schutzbunker hier unter uns gelebt.« Nach einer Pause sagte er weiter: »Wo sollte ich als Feind denn hin? In Neustadt war kein Platz für mich und in meiner alten Heimat natürlich auch nicht.« Die beiden Männer schwiegen sich an, während der alte Säuberer seinen Schnaps trank. Der junge Mann stand auf, holte noch ein Fläschchen aus dem Rucksack und gab es ihm. »Ich muss jetzt los, äh, wieder an die Arbeit. Du weißt schon.«
    »Ja, ja, Kamerad, frohes Schaffen«, sagte der alte Säuberer zum Abschied.
     
    Der junge Mann ging zum Treppenhaus zurück und nach unten zum Ausgang. Wenn du hier überleben willst, musst du dein Herz verschließen, dachte er. Das hatte ihm jedenfalls seine Großmutter erzählt, als sie von seinem Vorhaben erfuhr und ihn nicht davon abbringen konnte. Und langsam verstand er die Bedeutung dieses Ratschlags. Als er am Ausgang angekommen war, sah er in die Nacht hinaus. Der Regen war stärker geworden. Er drehte sich um, blickte die Treppe hinauf und horchte. Es war nichts zu vernehmen. Im Flur des Erdgeschosses befand sich eine Wohnungstür, die noch in Ordnung war. Nachdem er die Tür vorsichtig geöffnet hatte, leuchtete er in den Raum. Niemand schien hier zu sein. Er schloss die Tür, blockierte sie mit einem Schreibtisch und legte sich auf das Bett, wobei er den Elektrostock fest umklammert hielt. In seinem Schutzanzug musste er den Dreck und das Ungeziefer nicht fürchten. So lag er eine ganze Weile da, ohne dass er einschlafen konnte. Zwei Nächte vor Vollmond war an Schlaf nicht zu denken und die ungewohnte Umgebung verstärkte seine innere Unruhe zusätzlich. Er hörte Wölfe oder verwilderte Hunde, die draußen heulten. Am liebsten hätte er Ähnliches getan, um seine Energie loszuwerden, seine Urinstinkte zu befriedigen. Den Rest der Nacht lag er wach, ab und zu hörte er am Boden des Zimmers ein Scharren.

3.
    Ich bin ein Dämon, ein Ritter, ein Erleuchteter. Warum verfolgen mich diese Worte und was bedeuten sie?, dachte der alte Wächter. Routiniert zog er sich seine Schutzkleidung an: eine Hose sowie ein Oberteil mit Kapuze, beide aus dichtem wasserabweisenden Material. Die Hose streifte er über seine schweren Arbeitsstiefel. Am Ende legte er die Staubmaske an und setzte seine Schutzbrille auf. Wenn er die Kapuze mit der Kordel festzog, war er bis auf die Hände vollständig geschützt. Das ist weitaus angenehmer als früher, dachte er. Damals gab es noch bessere Schutzanzüge, deren Anlegen aber aufwändiger und das Arbeiten darin vor allem während der heißen Tage im Sommer eine Qual war. Dieser hier stellte einen guten Kompromiss dar. Obwohl die besten Jahre seines Lebens lange hinter ihm lagen, war der alte Wächter noch ein drahtiger Mann voller Energie. Er schulterte sein Schallgewehr, verließ die Umkleidekabine und ging durch einen langen, schmalen Flur bis zu einem Schleusensystem. Nachdem er die äußere Tür geöffnet hatte, betrat er das Freie.
     
    Die Sonne war gerade aufgegangen, doch in der Südkaserne herrschte sehr wenig Betrieb, nur einige Personen in Schutzkleidung waren zu sehen und ein Drehflügler, der gerade auf dem Platz hinter dem Hauptgebäude landete. Für eine Kaserne war das ein ungewohnt lebloses Bild, denn auf viele militärische Rituale musste hier verzichtet werden. Es ist nicht mehr so wie früher, dachte er, als er zu seinem Schwebewagen ging, den er vor einem Seitenflügel des Hauptgebäudes an einer der zahlreichen Rampen geparkt hatte. Eine ausfahrbare Brücke war an den Laderaum angedockt worden. Hinter einem Fenster hob ein Mann die Hand, ein Warnsignal erklang und die Brücke wurde eingezogen.

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