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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Derado
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aufrechten Atheisten!“, pflegt ein Klassenkamerad zu sagen.
     
    Kurz bevor ich nach Leipzig zu Tanjas Hochzeit fahre, meint Mutti kläglich, dass es so mit ihr nicht mehr weiter gehen könne. Ob ich nicht doch einen Platz in einem Pflegeheim für sie fände. Sie habe kaum noch Kraft, sich anzuziehen und ihr Frühstück zu bereiten oder mein mitgebrachtes Essen aufzuwärmen. Sie habe Angst vor den paar Tagen, da ich nicht in München sei.
    Über Pflegeheime habe ich so viel Negat ives gehört. Auf dem Ohr höre ich gar nicht gut. Ich versuche es wieder über Sozialämter und Pflegestationen.
    Wieder wird die Wohnung besichtigt. Dann wird notiert, was alles getan werden müsse. Waschen, kämmen. Nägelschneiden?
    „Nein, das tu ich.“
    Jeden Handgriff schreibt die Schwester auf! Auf meine Frage, was denn eine Stunde kosten würde, ist die Antwort, dass es nicht nach Zeit sondern nach den Tätigkeiten gehe. Sie gibt mir einen Katalog: Da kostet das Aufwärmen einer kleinen Mahlzeit, z. B. eines Glases Babynahrung, ein Vielfaches des Wertes der Nahrung.
    Nach raschem Überschlagen: „Das kommt im Monat auf etwa achthundert Euro!“
    Ihr Nicken bestätigte diese ihr wohlbekannte Tatsache.
    Mutti schiebt mir einen Zettel zu auf den sie gekritzelt hat: Die nehmen wir nicht! Die ist raffgierig!
    Nur mühsam kann ich ernst bleiben.
    „Und Miete? Und Lebensmittel? Was glauben Sie, wie viel eine alte Frau Rente b ekommt?“
    Als sie hört, dass der Antrag auf Pflegest ufe abgelehnt worden sei, packt sie ihre sieben Sachen. Ich solle doch noch einmal einen Antrag stellen.
    Wir befolgen den Rat. Als er dann bewilligt wird, ist Mutti bereits gestorben.
    Dabei wird mir geraten, ein Pflegetagebuch zu führen. Das wäre auch hilfreich, um die Pflegestufe festzulegen.
    Über eine Woche lang schreiben wir ganz pingelig jeden Handgriff auf und die Dauer.
    Morgens z. B.: Der Patientin wird aus dem Bett geholfen. Auf dem Rollator sitzend zur Toilette gefahren. Auch dass man ihr beim Schlüpfer Anziehen helfen muss, da die Pat. nicht frei stehen kann und eine Hand zum Festhalten braucht.
    Waschen, mit Franzbranntwein einreiben, nicht zu vergessen Gebiss reinigen und einsetzen und auch das Hörgerät. .
    Die Füße sind morgens fast lilablau , sie bekommen eine Reflexzonen-Massage mit spezieller Creme. Blutdruck messen, Medikamente halbieren oder vierteln.
    Frühstück und Thermoskanne bereiten.
    Trauben müssen geschält und entkernt werden.
    Geschirr wieder abwaschen.
    Das klingt irre, ist aber das, was die Kasse wissen will.
     
    Nachdem alle Bemühungen um eine Hilfskraft kläglich gescheitert sind und es immer drängender wird, verkünde ich bei j eder sich bietenden Gelegenheit, dass ich eine Frau suche und wofür.
    Im Turnverein bekomme ich einen Hinweis auf einen Aushang im Supermarkt. Dem gehe ich nach und habe Erfolg: Eine nette junge Slowakin, sogar ausgebildete Kra nkenschwester, freut sich über eine sinnvolle Tätigkeit und hilft nun vormittags Mutti bei der Morgentoilette – im Wechsel mit einer angehenden Medizinerin aus Thomas‘ Freundeskreis.
    Als ich von Berlin zurück bin, geht auch abends nichts mehr. Ich helfe nun Mutti beim zu Bett gehen. Klopfe die Kissen um sie herum fest, singe ein Schlaflied und g ebe ihr einen Gute-Nacht-Kuss. Es ist wie früher, als ich klein war, nur umgekehrt.
    Diese intensive Zeit ist sehr schön und in i hrer Innigkeit bereichernd.
    Da die beiden jungen Frauen die meisten Vormittage übernehmen, hält sich der Aufwand für mich in Grenzen. Dennoch b elastet mich die Situation.
    Als ich bei Glatteis beim Heimgehen spät abends ins Rutschen komme, kriege ich Panik bei dem Gedanken: Wer organisiert Muttis Tage, wenn ich ins Krankenhaus käme!? Niemals hatte ich einen erhöhten Blutdruck. Plötzlich ist er 178 über 110!
    Es ist vergleichbar den Jahren, als meine Kinder klein waren. Das eigene Leben kann nur zum Teil selbst bestimmt werden. Man muss sich im Tagesablauf nach den Schw ächeren richten.
     
    Etwa alle zwei Wochen drängt Mutti, ich solle sie in einem Pflegeheim unterbringen. Nicht dass sie mit mir und meiner Zuwendung nicht zufrieden wäre. Eher glaubt sie wohl, sie würde mir zur Last fallen.
    „Mutti, du hast meine Wäsche mehr als 20 Jahre lang gewaschen - ohne Waschmaschine. Da mach dir mal keine Gedanken, wenn ich nun auch deine mit in die Trommel stecke. Das ist nur ein winziger Teil dessen, was du für mich getan hast.“
    Allmählich macht mich ihre Quengelei

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