Nicht ohne Risiko (German Edition)
am Dienstag mit Alex treffen. Sie wollte sich gar nicht mit Alex treffen. Ihn nie wieder sehen.
Sie wollte auch Jim Keegan nie wieder sehen, und doch würde er in wenigen Stunden in ihrer Wohnung aufkreuzen, und sie würde ihn die ganze kommende Woche jeden Tag sehen müssen. Er würde der Erste sein, den sie allmorgendlich zu sehen bekam, und der Letzte an jedem Abend.
Emily öffnete die Glasschiebetür ihres Minibalkons, von dem aus man den Hof des Apartmenthauses überblicken konnte. Im Hof lag ein bescheidener Swimmingpool, der mit kristallklarem Wasser gefüllt war, aber Emily liebte vor allem das üppige Grün, das auf der kleinen Fläche daneben wuchs.
Sie setzte sich auf einen der beiden Liegestühle, die gerade so eben auf den Balkon passten, ließ den Kopf in den Nacken sinken und lauschte dem pausenlosen Summen und Zirpen der Insekten, die sich über die Hitze des Tages zu beschweren schienen. Die Temperatur lag bei mindestens achtunddreißig Grad im Schatten. Die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass man sie förmlich sehen konnte. Der Dunst schien die Kraft der Sonne sogar noch zu verstärken.
Es war Sommer in Florida, und Emily liebte diese Jahreszeit. Die Horden von Überwinterungsgästen waren längst wieder gen Norden verschwunden, und die Straßen wirkten leer, alles lief viel langsamer ab. Natürlich hatte sie als Lehrerin den größten Teil des Sommers frei, und sie genoss dieses Faulenzerdasein. So hatte sie Zeit, einen Gang herunterzuschalten, zu gehen, statt zu laufen, sogar zu schlendern, statt zu gehen.
Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, schon als sie mitihrer Familie zum ersten Mal hier Urlaub gemacht hatte. Als Emily zwölf gewesen war, hatten ihre Eltern ein Strandhaus auf Sanibel Island gekauft, und fortan wurden die Schulferien und damit ein Großteil des Sommers an Floridas Golfküste verbracht. Da war es völlig natürlich gewesen, dass Emily das College an der Universität von Tampa besuchte.
Die Universität. Sie war erst etwa einen Monat an der Uni gewesen, als bekannt wurde, dass sich ein Serienvergewaltiger auf dem Campus herumtrieb. Emily schloss sich einer Studentenorganisation an, die sich um Sicherheitsmaßnahmen bemühte. Sie half dabei, die Studenten darüber zu informieren, wie gefährlich es für junge Frauen war, sich allein auf dem Universitätsgelände zu bewegen – und zwar zu jeder Tageszeit, aber natürlich vor allem nachts. Sie half bei der Organisation eines Begleitservice, der dafür sorgte, dass niemand allein unterwegs sein musste. Und sie arbeitete eng mit der Polizei von Tampa zusammen, die Jagd auf den Vergewaltiger machte.
Viele der Studenten im Komitee himmelten die Police Detectives an. Obwohl die meisten gerade mal Mitte zwanzig waren, waren sie – verglichen mit den Collegestudenten – ganz offensichtlich schon Männer. Besonders Detective Keegan mit seinem charmanten Lächeln und den leuchtend blauen Augen sah aus wie eine Kreuzung aus Mel Gibson und Kevin Costner. Er war das Gesprächsthema Nummer eins im Mädchenwohnheim. Emily war wild entschlossen, sich nicht in die Riege derer einzureihen, die sich hoffnungslos in den jungen Mann verknallt hatten.
Trotzdem ertappte sie ihn in den gemeinsamen Besprechungen oft dabei, wie er sie beobachtete. Er lächelte sie an, wandte den Blick ab, nur um sie kurz darauf schon wieder anzusehen. Sie bemühte sich standhaft, ihn zu ignorieren. Verließ die Besprechungen immer schnell und sah zu, dass sienicht herumtrödelte. Die seltsame Anziehungskraft, die zwischen ihnen beiden zu knistern schien, machte sie nervös, da sie fürchtete, dass sie sich das Ganze nur einbildete. Dass es auf Wunschdenken beruhte.
Wunschdenken deshalb, weil Detective Keegan nicht nur unglaublich gut aussah; er war außerdem noch klug und witzig und intelligent und aufregend lebendig. Aber in seinen Augen verborgen, hinter seinem jungenhaften Grinsen versteckt, entdeckte Emily tiefe Trauer und echten Schmerz. Niemandem sonst schien das aufzufallen, aber sie wusste, dass es da war. Sie stellte sich vor, was für grässliche Dinge er auf den Straßen schon erlebt haben musste, obwohl er erst seit wenigen Jahren als Detective arbeitete. Es hieß, er sei kürzlich von New York City nach Florida gezogen. Niemand schien zu wissen, warum.
Trotz ihrer Entschlossenheit, sich von Jim Keegan fernzuhalten, hätte Emily alles darum gegeben, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
Sie konnte sich immer noch gut an die erste echte
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