Nicht ohne Risiko (German Edition)
auszugeben.
Genau das machte diese verrückte, traumähnliche Wirklichkeit zu einem Albtraum.
Sie saß in der Falle. Natürlich konnte sie sich weigern. Siewollte nicht, dass Jim sich bei ihr einquartierte. Wollte nicht, dass er sich wieder in ihr Leben drängte. Aber natürlich hätte ihre Weigerung zur Folge, dass Alexander Delmore ungehindert so viel Kokain in die Stadt bringen konnte, wie er wollte.
Emily stolperte über den rauen Asphalt des Parkplatzes vor der Polizeiwache. Meine Güte, war sie erschöpft! Dabei hatte der Albtraum gerade erst angefangen.
Die heiße Julisonne brannte erbarmungslos auf sie herab, während sie in den Taschen ihrer Shorts nach ihrem Wagenschlüssel angelte. Zweimal entglitt ihr der Schlüsselring, bevor sie erkannte, dass ihre Hände zitterten und sie nur verschwommen sah.
Sie weinte.
Dabei hatte sie sich während der endlosen Befragung durch die Polizei so gut gehalten. Nicht ein Mal hatte sie die Beherrschung verloren. Selbst bei beleidigenden und peinlichen Fragen war sie ruhig und gelassen geblieben. Vor allem aber war sie nicht hysterisch geworden, als Jim den Raum betrat. Sie war nicht in Tränen ausgebrochen. Man hatte ihr nicht mehr anmerken können als Überraschung.
Wahrscheinlich kam jetzt die verzögerte Reaktion, dachte sie benommen. Seitdem sie herausgefunden hatte, dass sie Alex so völlig falsch eingeschätzt hatte, war ihr eigentlich ständig nach Weinen zumute gewesen.
Vergebens wischte Emily sich die Tränen aus den Augen und versuchte noch einmal, den Autoschlüssel ins Türschloss zu stecken. Wenigstens das klappte endlich, die Tür entriegelte sich, und sie konnte sie öffnen. Im Wagen war es heißer als in einem Backofen, aber sie stieg trotzdem ein und startete den Motor. Dann ließ sie sämtliche Fenster herunter und drehte Klimaanlage und Lüftung auf die höchste Stufe.
Warum Jim Keegan? Und warum jetzt? Womit hatte sie das nur verdient?
Emily brach zusammen. Sie legte die Arme auf das heiße Lenkrad, ließ ihren Kopf daraufsinken und weinte hemmungslos.
Jim Keegan rannte den Flur hinunter, Emilys Handtasche in der Hand. Er stieß die Tür auf, die auf den städtischen Parkplatz hinausführte, und wappnete sich gegen die feuchte Hitze draußen, die ihn wie ein Holzhammer traf.
Verdammt, Emily war weit und breit nicht zu sehen. Sie konnte doch nicht schon weg sein, oder? Schließlich war er ihr sofort gefolgt.
Während er die parkenden Autos musterte, wurde ihm klar, dass er keine Ahnung hatte, was für einen Wagen sie fuhr. Zweifellos einen teuren, dachte er säuerlich. Ein Geschenk von ihrem millionenschweren Freund.
Aber dann entdeckte er sie. Sie saß zusammengesunken auf dem Fahrersitz eines unscheinbaren kleinen Honda. Arme und Kopf ruhten auf dem Lenkrad.
Als Jim näher kam, erkannte er beinah sofort, dass sie weinte. Es zog ihm das Herz zusammen. Die immer so ruhige, gefasste Emily, die nie ausrastete, nie die Nerven verlor, nie ihre Ängste zeigte, weinte, als wollte sie die Welt mit ihren Tränen überschwemmen.
Er hatte sie erst ein einziges Mal weinen sehen, und zwar im Krankenhaus, etwa eine Woche nachdem er angeschossen worden war. Sie war tagelang bei ihm geblieben. Zunächst, als noch nicht klar war, ob er durchkommen würde, wartete sie vor der Intensivstation. Später, als er außer Lebensgefahr war, saß sie an seinem Bett.
Die meiste Zeit war er bewusstlos, aber immer wenn er zu sich kam, war sie da und lächelte ihn an. Ihre Ruhe gab ihm Kraft und Mut. Sie ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie sich um ihn sorgte, wie sehr das Ganze sie belastete. Es fiel ihmnicht auf – bis zu jener Nacht, in der er aufwachte, ohne dass sie das bemerkte, und sie weinen sah. Untröstlich und verzweifelt, als bräche ihr schier das Herz.
Das war der Anfang vom Ende. Jim wusste, dass er schuld war an Emilys Verzweiflung. Natürlich hatte er auch vorher schon gewusst, dass er Gift für sie war und sie nicht verdiente. Aber als er sie so weinen sah, traf ihn die Erkenntnis mit brutaler Wucht.
Und dennoch brachte er sie jetzt, sieben Jahre später, schon wieder zum Weinen. Er ging zumindest davon aus, dass ihre Tränen etwas mit ihm zu tun hatten. Verdammt noch mal, dank dieses Wiedersehens war ihm selbst nach Heulen zumute.
Sie hörte nicht, wie er an das offene Fenster der Fahrertür trat. Sie hörte nicht, wie er neben ihrem Wagen stehen blieb. Also beugte er sich zu ihr hinunter, schaute durchs Fenster und räusperte
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