Nicht Totzukriegen
dagegen klingeln vom Schuss jetzt noch die Ohren, und der Arm tut weh vom Rückstoß.
Mein erschossener Mann lebt also noch, warum auch immer. Schon fast ein Uhr. Ich stehe auf und gehe Zähne putzen. Muss ja morgen auch früh raus.
16
Der Mann an meiner Seite ist heute Morgen putzmunter aufgewacht, er hat sich rasiert und angezogen, dann gefrühstückt und sich an der Espressomaschine mal wieder die Finger verbrannt. Alle Körperfunktionen arbeiten bei ihm normal, bei mir bezweifle ich das. Dieser Schlafmangel bringt mich noch um. Ich habe wach gelegen und jeden Atemzug von Tom belauscht, wie vor vielen Jahren in unseren ersten gemeinsamen Nächten, nur ganz klar aus anderen Gründen. Damals war ich noch glücklich, dass er neben mir lag.
Auf dem Schreibtisch vor mir wartet die Einladungsliste für eine Pressekonferenz darauf, von mir geprüft zu werden, und bis 15 Uhr muss ich entscheiden, welche Edel-Location wir irgendwelchen Klebstoffkochern zur Feier ihres Firmenjubiläum vorschlagen, aber ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Mein rechter Arm schmerzt immer noch von der Pistole, wahrscheinlich so etwas wie eine kleine Zerrung. Aber was beschwere ich mich? Vielleicht ist das die gerechte Strafe für Mord, andere bekommen wegen so was sogar lebenslänglich, die sind dafür dann aber auch ihren Ehepartner los. Wenn ich nur daran denke, wie Tom mausetot auf dem Teppich lag oder wie er mich quicklebendig auf den Hals geküsst hat, schlottern mir schon wieder die Knie.
Und so bin ich unendlich dankbar, als sich Maryam endlich meldet, um mir wegen meines nächtlichen Anrufs die Meinung zu geigen. Es lenkt mich ab.
Einem gängigen Klischee zufolge zeichnen sich beste Freundinnen dadurch aus, dass man sie zur Not auch um drei Uhr nachts anrufen kann, dass sie dann hellwach sind und begeistert zuhören, dass sie verständnisvoll trösten oder kompetent mit Ratschlägen helfen. Alles Quatsch. Wir sind keine siebzehn mehr, Frauen unseres Alters haben bitte schön nur noch kalkuliert hysterisch zu sein. So ein Gattenmord würde zwar als Rechtfertigung für alle möglichen Gemütszustände reichen, nur ist mir seltsamerweise der Beweis abhandengekommen, ich kann Maryam keine Leiche vorlegen. Also bleibt mir fürs Erste nichts anderes übrig, als demütig ihren Tadel entgegenzunehmen, zu Mittag verabreden wir uns in der Gerichtskantine.
Sie erwartet mich bereits feixend an der Sicherheitskontrolle des Gerichtsgebäudes und instruiert das Personal: »Sehen Sie genau nach, die Frau ist ein Killer!«
»Du nimmst mich nicht ernst.«
»Darf ich dich kurz erinnern: Du rufst mich mitten in der Nacht an, angeblich, weil du deinen Ehemann erschossen hast.«
»Hab ich.«
»Und? Wo ist die Leiche: Ist sie gerade arbeiten? Macht sie Mittagspause?«
»Maryam, glaub mir: Er war tot!«
»Is’ klar. Na ja. Besser, als wenn du deine Mordphantasien real auslebst.«
Wir nehmen Platz inmitten von Richtern und Staatsanwälten, von denen wohl jeder an so einem zünftigen Tötungsdelikt seine helle Freude hätte, auf jeden Fall spannender als Nachbarschaftsstreitigkeiten oder säumige Falschparker, und auf dem Weg zu unserem Tisch hat sich Maryam einen Spaß daraus gemacht, Kollegen im Vorbeigehen darauf hinzuweisen: »Die hat grad ihren Mann umgebracht.« Während ich aus Versehen zu irgend so einem vegetarischen Tofudings gegriffen habe, schiebt Maryam sich von ihren Tortellini genüsslich eines nach dem anderen in den Mund und erklärt mir nebenbei vergnügt, wie man professionell mordet:
»Wie kommst du ausgerechnet auf Erschießen, Schatz? Viel zu schwierig. Allein die Schmauchspuren, die hast du an der Hand, in den Klamotten, überall! Und danach sucht die Spurensicherung als Erstes. Dann«, die nächsten Tortellini verschwinden hinter ihren kirschroten Lippen, »musst du wie gesagt natürlich noch den Einbruch vortäuschen und –«
»Ich wollte die Terrassentür einschlagen«, wage ich vorsichtig anzumerken.
»Gut, dass du’s gelassen hast, sonst hättest du jetzt auch noch die Kosten für den Glaser an der Backe. Außerdem habt ihr Sicherheitsglas.« Kaum zu glauben, Maryam scheint unser Haus besser zu kennen als ich, zumindest unter kriminalistischen Aspekten: »Nimm euer Küchenfenster«, empfiehlt sie, »das ist Ramsch.«
Wir haben eine Sollbruchstelle für Einbrecher im Haus? Das sagt sie mir erst jetzt? Ich hätte überfallen werden können, ausgeraubt, geschlagen und geschändet, ermor… – na ja.
»Wie
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