Nichts bleibt verborgen
Satz ging ihm nicht mehr aus dem Kopf: Lass dich nie von einem Verdächtigen manipulieren und vor seinen Karren spannen!
Wenn er darüber nachdachte, musste er zuge ben, dass Magnus einiges dafür getan hatte, ihn auf seine Seite zu ziehen. Erst die Einladung zu sich nach Hause, später das Treffen im Café. Vielleicht war Magnus viel geschickter, als er glaubte. Vielleicht hatte er sich längst von ihm manipulieren lassen.
Das Schlimmste an der Sache war, dass er das Gefühl hatte, seine Freunde zu vernachlässigen. Sich ein wenig von ihnen distanziert zu haben. Oder sie sich von ihm? Anfangs hatten sie sich offen darüber beklagt, dass er Magnus neuerdings so viel Aufmerksamkeit schenkte. Inzwischen schauten sie nur noch argwöhnisch und gingen ihrer Wege, wenn er wieder mal ein Wort mit Magnus wechselte. Wahrscheinlich saßen sie genau in diesem Moment fröhlich beisammen und feierten den Beginn des Wochenendes, während er allein nach Hause stapfte. Das gab ihm einen Stich.
Er musste mit jemandem über all diese Dinge reden, sich jemandem anvertrauen. Aber wem? Mit seinem Vater noch einmal über den Fall zu diskutieren, war ausgeschlossen. Der hatte sich jede weitere Einmischung in seine Angelegenheiten verbeten. Und seine Mutter hatte so vieles von dem, was in den letzten Monaten passiert war, nicht mitgekriegt – wo sollte er da anfangen? Eigentlich kam nur eine einzige Person infrage, die absolut zuverlässig und vertrauenswürdig war. Die gut zuhören und ein Geheimnis für sich behalten konnte. Er angelte sein Handy aus der Tasche, klickte auf Kontakte und scrollte zum Buchstaben F.
Sie sah ein bisschen verfroren aus, als er ihr die Tür öffnete. Doch ihre flaschengrünen Augen lächelten ihn so intensiv an, dass er für einen Augenblick vergaß, was in solch einer Situation zu tun war.
»Alex?«
»Äh … hey.«
»Darf ich?«, fragte Franziska und trat an ihm vorbei in die Wärme.
Richtig, jetzt fiel es ihm ein. Man begrüßte seinen Gast und bat ihn herein.
»Willst du einen Kakao?«
Sie nickte und rieb ihre Hände aneinander. »Sind deine Eltern noch bei der Arbeit?«
»Ja, die kommen erst heute Abend.«
Sie folgte ihm in die Küche. Alexander setzte einen Topf mit Milch auf den Herd und schüttete Kakaopulver in zwei große Becher. Dann drehte er sich zu ihr um und sagte: »Ich hab tierischen Ärger mit meinem Vater.« Wenn du nicht weißt, wie du anfangen sollst, fang einfach irgendwie an, hatte Nils Ohlsen seinem Sohn immer geraten.
Franziska sah ihn mitfühlend an. »Was ist denn passiert?«
»Ach, das ist eine lange Geschichte. Eigentlich hat alles mit dem Brand des Schuppens auf unserem Sportplatz angefangen.«
»Vorsicht, die Milch!«
Alexander fuhr herum und bewahrte die Milch im letzten Moment davor überzukochen. Er verbrannte s ich fast die Finger, als er die dampfende Flüssigkeit auf die Becher verteilte. Aber das war ihm jetzt schnuppe. Sie hatten sich kaum an den Tisch gesetzt, da brach auch schon alles aus ihm heraus: dass sein Vater ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hatte, dass eines von Magnus’ Armbändern am Tatort gefunden worden war. Dass Magnus seit der Schlägerei in der Mensa seine Nähe gesucht habe. Der Schlägerei, der eine Provokation von Mathias vorausgegangen war, die Magnus’ Vater betraf. Wie er sich neulich, während er mit Magnus in der Kaffebrenneriet gesessen hatte, plötzlich an eine seltsame Bemerkung von Erik erinnert hatte. An eine Bemerkung, die beim Bowling gefallen war und der er zunächst keine Beachtung geschenkt hatte – bis zu dem Treffen mit Magnus, bei dem ihm auf einmal ein ganz bestimmter Verdacht gekommen war.
Mehrmals musste Franziska seinen Redeschwall bremsen und nachfragen, um einigermaßen mitzukommen. »Wie war das jetzt mit Erik?«
»Als wir zusammen beim Bowling waren und Svein und Erik getroffen haben, da haben wir doch am Ende über den Brand diskutiert, und weißt du noch, was Erik gesagt hat?«
Franziska schüttelte den Kopf.
»Das war der Typ, der ständig diese Lederarmbänder trägt, jede Wette!«
»Ja, jetzt erinnere ich mich. Was ist daran so merkwürdig?«
»Merkwürdig daran ist, dass er Magnus’ Lederarmbänder ins Spiel bringt, obwohl die bis dahin niemand erwähnt hatte. Und obwohl er ja eigentlich nicht wissen kann, dass man eines dieser Armbänder am Tatort gefunden hat. Das klingt doch fast so, als wollte er Magnus die Tat unbedingt in die Schuhe schieben.«
Franziska nickte
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