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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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mal ein bißchen schlafen, John.»
    «Schön», sagte er. «Hoffentlich werden Sie schlafen, Signor Tenente.»
    Ich hörte, wie er in seinen Decken auf dem Stroh herumrollte, und dann war es ganz still, und ich hörte, wie er regelmäßig atmete. Dann begann er zu schnarchen. Ich hörte eine lange Zeit zu, wie er schnarchte, und dann hörte ich auf, zuzuhören, wie er schnarchte, und hörte zu, wie die Seidenraupen fraßen. Sie fraßen unentwegt, und die Blätter raschelten. Ich hatte etwas Neues, an das ich denken konnte, und lag mit offenen Augen im Dunkeln und dachte an all die Mädchen, die ich gekannt hatte, und was für Frauen sie wohl abgeben würden. Es war sehr interessant, darüber nachzudenken, und eine Zeitlang verdrängte es das Forellenfischen und kam meinem Beten in die Quere. Zum Schluß kam ich aber doch wieder aufs Forellenfischen zurück, weil ich merkte, daß ich mich deutlich an alle Ströme erinnern konnte, und immer war irgend etwas Neues an ihnen, während die Mädchen, wenn ich ein paarmal an sie gedacht hatte, verschwammen, und ich sie mir nicht ins Gedächtnis zurückrufen konnte, und schließlich verschwammen sie alle und waren eigentlich alle gleich, und ich gab’s fast ganz auf, an sie zu denken. Aber mein Beten setzte ich fort, und ich betete nachts oft für John, und sein Jahrgang wurde vor der Oktoberoffensive von der Front zurückgezogen. Ich war froh, daß er fortkam; ich hätte mich sehr um ihn gesorgt. Er besuchte mich einige Monate später in Mailand im Lazarett und war sehr enttäuscht, weil ich noch nicht verheiratet war, und ich weiß, daß er außer sich wäre, wenn er wüßte, daß ich bis heute noch immer unverheiratet bin. Er ging nach Amerika zurück und dachte sehr positiv über die Ehe und war davon überzeugt, daß sie alles ins Lot bringen würde.

So, wie du niemals sein wirst
    Der Angriff war über das Feld gegangen, war durch Maschinengewehrfeuer von der tiefliegenden Straße und von der Gruppe von Bauernhäusern her aufgehalten worden, begegnete in der Stadt keinem Widerstand und erreichte das Flußufer. Nicholas Adams kam auf seinem Rad die Straße entlang, stieg ab, um es zu schieben, wenn die Oberfläche der Straße zu holprig wurde, und sah an der Lage der Toten, was geschehen war.
    Sie lagen einzeln oder in Klumpen mit umgestülpten Taschen im hohen Gras des Feldes und die Straße entlang, und auf ihnen waren Fliegen, und um jede Leiche oder Leichengruppe herum waren die verstreuten Papiere.
    Im Gras und Getreide neben der Straße und an einzelnen Stellen auf der Straße lag viel Material verstreut: eine Feldküche – sie war wohl herausgekommen, als alles gutging –, viele von den mit Kalbfell überzogenen Tornistern, Handgranaten, Helme, Gewehre, manchmal mit dem Kolben nach oben, die Bajonette staken in der Erde; sie hatten zum Schluß ’ne ganze Menge gegraben; Handgranaten, Helme, Gewehre, Schanzgerät, Munitionskisten, Leuchtkugelpistolen mit verstreuter Munition, Sanitätsausrüstungen, Gasmasken, leere Gasmaskenbehälter, ein Maschinengewehr auf einer Dreifußlafette, mitten in einem Nest leerer Granathülsen, volle Gurte, die aus den Kisten herausquollen, der Kühlmantel leer und auf die Seite gekippt, der Laufverschluß fehlte, die Mannschaft in ungewöhnlichen Stellungen, und um sie herum im Gras mehr von dem typischen Papier.
    Da lagen katholische Gebetbücher, Gruppenpostkarten, die die Maschinengewehrmannschaft in Reih und Glied und in burschikoser Munterkeit zeigte, wie auf einem Footballbild für ein College-Jahrbuch; jetzt lagen sie verbeult und verquollen im Gras; Propagandapostkarten, die einen Soldaten in österreichischer Uniform zeigten, der auf einem Bett eine Frau nach hinten überbog; die Figuren waren impressionistisch gezeichnet, sehr anziehend dargestellt, und hatten nichts mit tatsächlicher Vergewaltigung gemein, wobei der Frau die Röcke über den Kopf gezogen werden, um ihr Geschrei zu ersticken, und wo sich ein Kamerad ihr manchmal auf den Kopf setzte. Es lagen eine Menge dieser aufreizenden Postkarten herum, die offensichtlich gerade, bevor die Offensive begann, ausgegeben worden waren. Jetzt lagen sie gemeinsam mit den schlüpfrigen Postkarten verstreut umher, den kleinen Fotografien von Dorfmädchen vom Dorffotografen, den Gelegenheitsaufnahmen von Kindern und den Briefen, Briefen, Briefen. Um die Toten herum lag immer viel Papier, und die débris dieses Angriffs war keine Ausnahme.
    Dies waren frische Tote, und niemand

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