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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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auf dem Bürgersteig zusammenrotteten, so daß wir sie, um an ihnen vorbeizukommen, hätten anrempeln müssen, fühlten wir uns durch ein Geschehen verbunden, das diesen Leuten da, die uns haßten, nichts bedeutete.
    Uns bedeutete das ‹Cova› viel, wo es üppig und warm war und nicht zu hell erleuchtet und zu gewissen Tageszeiten voller Lärm und Rauch, und an den Tischen waren stets ein paar Mädchen und an der Wand immer einige illustrierte Zeitungen in den Steckrahmen. Die Mädchen im ‹Cova› waren sehr patriotisch, und ich stellte fest, daß die Kaffeehausmädchen die patriotischsten Menschen in ganz Italien waren – und ich glaube, sie sind noch patriotisch.
    Die Jungens waren zuerst sehr höflich wegen meiner Orden und fragten mich, was ich getan hätte, um sie zu bekommen. Ich zeigte ihnen die Urkunden, die in wunderbarer Sprache abgefaßt waren und voller fratellanza und abnegazione , aber eigentlich besagten sie, wenn man die schmückenden Beiworte wegließ, daß ich die Orden bekommen hatte, weil ich Amerikaner war. Danach änderte sich ihre Haltung gegen mich ein wenig, obschon ich gegenüber Außenstehenden ihr Freund war. Ich war ein Freund, aber ich gehörte niemals richtig zu ihnen, nachdem sie meine Patente gelesen hatten, weil es bei ihnen anders gewesen war und sie ganz andere Dinge getan hatten, um ihre Orden zu bekommen. Ich war verwundet worden, das schon, aber wir wußten alle: verwundet werden war schließlich und eigentlich ein Unfall. Ich habe mich aber niemals meiner Bändchen geschämt, und manchmal, nach der Cocktailstunde, bildete ich mir sogar ein, all die Dinge getan zu haben, für die sie ihre Orden bekommen hatten, aber wenn ich nachts in dem kalten Wind durch die leeren Straßen an all den geschlossenen Läden vorbei nach Hause ging und versuchte, in der Nähe der Straßenlaternen zu bleiben, wußte ich, daß ich niemals solche Dinge getan hätte, und ich hatte große Angst vorm Sterben und lag oft allein in meinem Bett, voller Angst vorm Sterben, und fragte mich, wie ich mich benehmen würde, wenn ich wieder an die Front zurückginge.
    Die drei mit den Orden waren wie Jagdfalken, und ich war kein Falke, obschon ich denen, die niemals gejagt haben, wie ein Falke vorkommen mochte. Die drei wußten es besser, und so kamen wir auseinander. Aber ich blieb gut Freund mit dem Jungen, der an seinem ersten Fronttag verwundet worden war, weil er ja nun nicht wissen konnte, wie er sich benommen hätte; deshalb gehörte er auch nicht ganz dazu, und ich mochte ihn gern, weil ich dachte, daß er sich vielleicht auch nicht zu einem Falken entwickelt haben würde.
    Der Major, der ein großer Fechter gewesen war, hielt nichts von der Tapferkeit und verbrachte viel Zeit damit, meine Grammatik zu korrigieren, während wir in unseren Apparaten saßen. Er hatte mir Komplimente darüber gemacht, wie gut ich Italienisch sprach, und wir unterhielten uns ganz freundschaftlich. Eines Tages hatte ich gesagt, daß ich die italienische Sprache so leicht fände, daß ich kein besonderes Interesse dafür aufbringen könne; alles ließe sich so leicht sagen. «O ja», sagte der Major. «Warum bedienen Sie sich dann nicht der Grammatik?» Von da an bedienten wir uns der Grammatik, und bald war Italienisch eine so schwierige Sprache, daß ich Angst hatte, etwas zu ihm zu sagen, bevor ich mir nicht im Geist über die Grammatik klar war.
    Der Major kam sehr regelmäßig ins Lazarett. Ich glaube nicht, daß er je einen Tag versäumte, obschon ich sicher war, daß er von den Apparaten nichts hielt. Es gab Zeiten, in denen keiner von uns von den Apparaten etwas hielt, und eines Tages sagte der Major, das Ganze sei Blödsinn. Die Apparate waren damals neu, und an uns sollten sie sich beweisen. Es sei eine idiotische Idee, sagte er, «eine Theorie wie jede andere». Ich hatte meine Grammatik nicht gelernt, und er sagte, ich sei blöde, unmöglich und ein Schandfleck, und er sei ein Esel, daß er sich mit mir abgegeben habe. Er war ein kleiner Mann, und er saß aufrecht auf seinem Stuhl, die rechte Hand in die Maschine geschoben, und sah geradeaus auf die Wand, während die Riemen mit seinen Fingern dazwischen auf und ab schlugen.
    «Was wollen Sie machen, wenn der Krieg aus ist, falls er je aus ist?» fragte er mich. «Antworten Sie grammatikalisch richtig.»
    «Ich werde nach Amerika fahren.»
    «Sind Sie verheiratet?»
    «Nein, aber ich wünsche es mir.»
    «Was für ein Narr Sie sind», sagte er. Er schien sehr

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