Nick aus der Flasche
persönlichen Sachen. Wie oft Nick das übernommen hatte, wusste er nicht mehr und er wollte auch nicht daran denken.
Auf dem Grund des Aschekastens fand er eine Metallöse. Als er daran zog, hob sich eine Steinplatte, die einen weiteren Hohlraum freigab.
Nick zwinkerte sich Staub aus den Augen. Es war dunkel im Kamin und er konnte kaum etwas erkennen, daher steckte er die Hand in das finstere Loch.
Ja, sie war noch da, er spürte die glatte kalte Oberfläche der Box. Schnell nahm er das Metallkästchen heraus und öffnete den Deckel. Er entdeckte Goldschmuck, Edelsteine und ganz unten das, was ihn interessierte: Verpackt in einen durchsichtigen Plastikbeutel befanden sich mehrere Geldbündel mit Hundertdollarscheinen. Er nahm die Tüte an sich und legte alles andere wieder zurück. Das Geld würde bestimmt reichen, um einen Gebrauchtwagen kaufen zu können. Auf dem Weg zur Schule hatte Nick einen Händler gesehen, den würde er sofort aufsuchen. Hoffentlich reichte das Geld auch wirklich; er hatte keine Ahnung, wie viel ein Wagen heute kostete, doch in dem Beutel mussten sich einige Tausend Dollar befinden.
Als plötzlich die Tür zuflog, blieb ihm fast das Herz stehen. Wie versteinert hockte er vor dem Kamin, die Tüte krampfhaft an sich gedrückt, und sein Herz raste. Er war nicht mehr allein! Jemand stand vor der geschlossenen Tür, eine große Gestalt in einem weiten Umhang.
Nein, das konnte nicht sein.
Nick schluckte.
Es war Solomon! Er stand im dunklen Raum, eingehüllt vom aufgewirbelten Staub, und zupfte an seinem langen weißen Bart. In der Hand hielt er einen zusammengerollten Riemen.
»Sieh an, wer nach Hause gekommen ist«, sagte er.
Endlich schaffte es Nick, aufzustehen, obwohl seine Beine weich wie Gummi waren. »Sie sind tot!«
»Tot, aber nicht weniger mächtig.« Er rollte die Peitsche aus und schwebte auf Nick zu.
Hilfe, er konnte tatsächlich Geister sehen! Bedeutete das, er war auch tot? Nein, dazu fühlte er sich zu lebendig, doch er starb fast vor Angst. Mit zitternden Händen hielt er das Geld fest und bewegte sich rückwärts auf die Haustür zu. Was, wenn der Geist seines ehemaligen Meister tatsächlich noch über so viel Macht verfügte, dass er ihn hier festhalten konnte?
»Du kommst in mein Haus, um mich zu bestehlen?«, zischte Solomon.
Nicks Furcht wandelte sich in Wut. »Sie haben mein Leben gestohlen! Das hier ist nur ein kleiner Ausgleich für das, was Sie mir und vielen anderen angetan haben.« Was redete er da? Es war verrückt, Solomon zu provozieren. Die Peitsche flog auf ihn zu und knallte auf seinen Rücken. Nick duckte sich instinktiv, bereit, den brutalen Schmerz zu empfangen, doch er spürte lediglich einen Luftzug. Verdutzt kam er auf die Beine.
»Was …« Während Solomon mit funkelnden Augen auf den schwebenden Riemen starrte, bewegte sich Nick weiterhin rückwärts, erleichtert, dass sein alter Besitzer keine Macht mehr hatte.
»Sie können mir nichts mehr befehlen!«
»Du bist mein Eigentum!«, rief Solomon, wirbelte um ihn herum und ließ erneut die Peitsche auf ihn sausen.
Nick zuckte bei jedem Hieb, aber er spürte nichts. »Ich habe eine neue Herrin!« Unglaublich, er konnte mit Verstorbenen kommunizieren. Schlagartig erinnerte er sich an das bleiche Mädchen im Bus oder die Gestalten am Straßenrand. Das waren alles Geister!
»Du bleibst gefälligst hier!«, brüllte Solomon und stellte sich vor die Haustür. »Ich habe Aufgaben für dich!«
Nick trennte nur noch ein Schritt vor dem Ausgang. Aufgaben? Jetzt, wo Solomon ein Geist war, brauchte er mehr denn je Hilfe. Anscheinend konnte er das Haus nicht verlassen und auch sonst nichts anrichten. Beinahe hätte Nick gelächelt.
»Sie haben keine Macht mehr über mich«, rief er und stürzte sich mutig durch Solomons Körper hindurch. Es fühlte sich an, als würde Eisregen seine Haut überziehen, dann erreichte er den Knauf und riss die Haustür auf.
***
Nick war nicht zurückgekommen.
Während Julie ihrer Mutter beim Herrichten des Abendessens half, machte sie sich Sorgen. Natürlich könnte sie ihn zurückbefehlen, doch sie wollte ihm Zeit geben. Sie brauchte selbst Zeit, um sich klar zu werden, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte.
Zu allem Überfluss wollte Connor sie erpressen. Er hatte ihr mehrere SMS geschrieben. Einmal wollte er wissen, wie es Nick ging, und als sie geantwortet hatte:
bestens
, war sofort zurückgekommen:
Wen
n Nick nicht verschwindet, sag ich Dad, was er ist,
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