Nick Perfect – Bruder per Post
reparieren«, sagte Pa. » André, äh, Nick sollte nicht ohne Warnanzeige Strom verlieren, und nicht, bevor er auf seine Ersatzbatterie zurückgegriffen hat. Wahrscheinlich nur ein loser Draht. Aber die Montage ist dir gut gelungen, Kleiner.«
» Danke«, sagte ich und wurde fast rot. Ich freu mich immer, wenn ich was gut gemacht habe.
Pa zerwuschelte mir das Haar, dann kniete er sich vor Nicks Kiste hin. » Fantastisch«, sagte er und fuhr mit zwei Fingern über Nicks Gesicht; mich hätte das zum Kichern gebracht, aber der Roboter verharrte im Auflademodus. » Ich hab ja Fotos, Videos und 3-D-Modelle von ihm gesehen, aber so sieht André– Nick!– sehr viel lebensechter aus. Viel… menschlicher.«
» Fast zu menschlich«, sagte ich und überlegte, wie lang der Roboter wohl zum Aufladen brauchte. » Ich hab noch nie ein Kind gesehen, dessen Haut und Haare so perfekt sind.«
» Da hast du recht«, sagte Pa. » Vielleicht wirkt Nick in der Tat zu perfekt, um als Mensch durchzugehen. Das hatte ich nicht bedacht! Wobei eine absichtliche Qualitätsminderung ethische Fragen aufwerfen würde, einschließlich der Frage– aber nicht nur der–, ob Nick in dieser Sache ein Wörtchen mitzureden hat, oder ob es okay ist, dass wir ohne seine Einwilligung das tun, was uns für ihn am besten scheint?«
Dieser Satz verwirrte mich schon nach der ersten Hälfte.
Während mir tausend Fragen durch den Kopf schwirrten, zum Beispiel, ob Ma von Pas neuester Spielerei wusste, erzählte mir Pa, wie Nick entstanden war. Den Roboter hatte mein Vater mit seinem Bruder Jean-Pierre entworfen, der gleichzeitig mein Onkel Jean-Pierre ist, und beim Institut für Künstliche Intelligenz in Paris, Frankreich, arbeitet. Mein Onkel hat die Hardware entwickelt, mein Pa die Software geschrieben, und dann haben Jean-Pierres Freundin Véronique und zwei Assistenten Nick und einen weiteren Prototypen gebaut.
» Was ist ein Prototyp?«, fragte ich und kam mir ziemlich dumm vor.
» Ein Prototyp ist der Erste seiner Art, ein Testmodell«, erklärte Pa. » Man wird auf jeden Fall noch ein paar Fehler ausmerzen müssen, bevor man ihn der Öffentlichkeit präsentiert.«
» Nick lächelt so komisch«, sagte ich und versuchte zu Demonstrationszwecken genauso schief zu lächeln.
» Das krieg ich hin«, erwiderte Pa und zwinkerte, was immer seltsam wirkt, weil Pa nicht richtig zwinkert. Er macht es viel zu langsam, und gerade wenn man meint, sein Auge bleibe zu, springt es wieder auf. Womöglich ist mein Pa der einzige Erwachsene auf der Welt, der nicht weiß, wie man richtig zwinkert.
Ich wollte Pa gerade fragen, warum er und mein Onkel jetzt Roboter bauten und dann ein Kind statt eines Erwachsenen, da hörten wir ein surrendes Geräusch. Nick öffnete die Augen, erblickte Pa und rief: » Mon papa!« Papa? Hä? Und dann stürzte sich der Roboter so wild aufPa, wie es ein echtes Kind gar nicht könnte, als hätte eine Startrakete gezündet. Pa fiel rücklings auf den Teppich, als ihn Nick auf die Wange küsste und gar nicht mehr damit aufhören wollte.
Ich glaube, in Frankreich ist es normal, dass sich Leute küssen, auch wenn sie nicht verliebt sind. In Frankreich ist das wahrscheinlich cool, aber hier sah es irgendwie bescheuert aus, weil Nick ja ein Roboter ist und Roboter, zumindest in Filmen, es eher nicht so mit dem Küssen haben. Die laufen vielleicht Amok, aber man sieht sie nie jemanden küssen.
O Mann, es wirkte, als wollte Nick Pa zu Tode küssen! Pa ertrug es, was mir auch nicht gefiel. Das ist mein Pa, nicht Nicks. Such dir selber einen Pa, du bescheuerter Roboter!
Schließlich schob Pa Nick von sich und sagte: » Ich mag dich auch, aber das reicht jetzt mal.« Er richtete sich auf und setzte Nick auf den Teppich, aber der Roboter rückte näher an Pa ran, als sei er unglücklich, wenn er mehr als fünfZentimeter von meinem Vater entfernt saß.
Grrr.
» Äh, Pa? Warum hat Nick dich Papa und mich Bruder genannt?«, fragte ich.
Pa fuhr sich mit dem Arm übers Gesicht, obwohl ich keine Roboterspucke drauf entdeckte. » Nick ist so programmiert, dass er dich als seinen Bruder, mich als seinen Vater und deine Ma als seine Mutter erkennt. In seinem Prozessor sind mehrere Bild- und Videodateien von uns gespeichert.«
» Oui, c’est vrai«, sagte Nick lächelnd. » Sofortiger Zugriff auf wichtige jpeg- und mpeg-Dateien.« Er blinkte, und seine linke Hand zuckte. Pa würde die zuckende Hand später reparieren. Aber es war noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher