Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
zu den Verdächtigen, die »Jousef« sein konnten, auch ein prominenter Angehöriger des Nationalen Sicherheitsrats, des tausendzweihundert Köpfe starken Gremiums, das den
Präsidenten in Spionage- und Verteidigungsfragen berät. Der Sicherheitsrat hat seinen Sitz im Weißen Haus.
Ich kostete meinen lauwarmen Tee. Er schmeckte
beschissen; ich würde mir einen neuen machen müssen. Ich nahm das Schriftstück mit in die Küche. Ließ man die Floskeln und das Fachchinesisch weg, ging aus dem Text klar hervor, dass die Jagd nach Jousef begonnen hatte, als eine für Bin Ladens Farm im Sudan bestimmte Nachricht aus Washington abgefangen worden war. Darin wurde angedeutet, es gebe einen Agenten, der unter Umständen eine Kopie eines von dem damaligen Außenminister Warren Christopher unterzeichneten Geheimschreibens beschaffen könne, in dem die
amerikanischen Zusagen an die Palästinenser zur Förderung des Friedensprozesses im Nahen Osten aufgezählt seien.
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Der Führungsoffizier im Sudan hatte geantwortet: »Dafür setzen wir Jousef nicht ein.«
In dem Bericht wurde ausgeführt, man habe wenig
Hoffnung, Jousef nach diesem Vorfall enttarnen zu können, weil er zu den Ersten gehört haben würde, die darüber aus dem Intelink erfahren hatten. Daraufhin würde er sämtliche Verbindungen zu seinem Führungsoffizier abgebrochen haben.
Ich musste unwillkürlich grinsen. Vielleicht war das der Grund für die neue vierte Intelink-Ebene: Sie sollte verhindern, dass Leute wie er wirklich wichtige Informationen erhielten.
Es gab Verweise auf andere Dokumente, in denen Jousef erwähnt wurde, aber Metal Mickeys Freund hatte sie nicht mitgeliefert. Ich stellte den Wasserkocher an und nahm mir das nächste Intelink-P-Schriftstück vor: ein CIA-Dokument mit dem schlichten Titel Zentrum zur Terrorismusbekämpfung.
Dies war nur die Einleitung, die aber auch schon fünfzehn Seiten umfasste. Ich brauchte eindeutig frischen Tee.
Als die Regierung Clinton dem Vorschlag zustimmte,
terroristische Organisationen durch Spezialeinheiten unterwandern und lahm legen zu lassen, richtete die CIA ihr Zentrum zur Terrorismusbekämpfung als Koordinierungsstelle für Aufklärungsergebnisse ein. Damit verfolgte sie das Ziel,
»dem Präsidenten weitere Optionen für Einsätze gegen Terroristen zu erschließen, um den internationalen Terrorismus noch mehr zu behindern, zu schwächen und handlungsunfähig zu machen«. Zu diesen Optionen gehörten
Geheimunternehmen, durch die Terroranschläge verhindert oder erfolgreiche Anschläge auf Amerikaner gerächt werden sollten. Die CIA stationierte weltweit zusätzliche Agenten; neue CIA-Teams erhielten den Auftrag, das Gefahrenpotenzial 480
für die im Ausland stationierten US-Truppen abzuwägen und dann Vorschläge zu seiner Minimierung zu machen.
Bestandteil dieser neuen Strategie war eine engere
Zusammenarbeit zwischen der Central Intelligence Agency und ihrem alten Rivalen, dem Federal Bureau of Investigation.
Das FBI entsandte im Ausland stationierte Senior Agents zu langen, erfolgreichen Besprechungen mit CIA-Residenten –
erst in der US-Botschaft in Rom, dann in der Botschaft in London –, bei denen vereinbart wurde, wie Terroristen und andere internationale Verbrecher gemeinsam bekämpft werden sollten.
Der Wasserkocher brodelte und schaltete sich selbstständig aus. Ich ließ ihn erst einmal stehen, denn jetzt wurde die Sache interessant. Ich wusste, dass solche Besprechungen noch vor zwei Jahren undenkbar gewesen wären, als die beiden Dienste sich wegen der FBI-Ermittlungen gegen Aldrich Arnes, der in der CIA-Zentrale für Moskau spioniert hatte, in den Haaren gelegen hatten.
Ich legte das Schriftstück weg, hängte einen Teebeutel in eine Tasse und goss heißes Wasser darauf. Die nächste Seite betraf Sarahs Gruppe, die mehrere Erfolge erzielt hatte. Bei der Durchsuchung der Londoner Wohnung eines Algeriers namens Rachid Ramda hatte die englische Polizei Hinweise auf seine Verbindung zu der Bewaffneten Islamischen Heilsfront entdeckt, die 1997 sieben Bombenanschläge in Frankreich verübt hatte, bei denen es sieben Tote und hundertachtzig Verletzte gegeben hatte. Die Polizei hatte auch Unterlagen über finanzielle Transaktionen gefunden, die sich zu Bin Ladens Hauptquartier im Sudan zurückverfolgen ließen.
In Ägypten hatte der dortige Geheimdienst mit
481
Unterstützung der CIA ein Mordkomplott der
fundamentalistischen Organisation Islamischer Dschihad gegen Präsident
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