Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
hergekommen, weil du noch nie hier warst, und weil ich Washington liebe, haben wir uns gesagt: Scheiß drauf, wir fliegen einfach mal hin.«
Sarah unterbrach mich: »Aber ich habe der Kleinen gesagt, dass ich Anwältin bin und beruflich nach Amerika muss.«
Mir gefiel nicht, dass sie Kelly so nannte, aber sie hatte Recht, was die Story betraf. »Okay, du bist in Amerika, um in New York einen Mandanten aufzusuchen, und ich wollte dir Washington zeigen. Den Rest musst du improvisieren.«
»Wird gemacht. Nur noch ein Problem, Nick.«
»Nämlich?«
»Wie heißt du? Wer bist du?«
»Ich bin Nick Stone.«
Sie lachte. »Soll das heißen, dass das dein richtiger Name 487
ist?«
»Yeah, natürlich.«
Und dann wurde mir klar, dass ich ihren richtigen Namen nicht wusste, obwohl wir uns schon seit vielen Jahren kannten.
Ich hatte sie immer nur unter dem Decknamen Greenwood gekannt. »Ich habe dir meinen gesagt, jetzt will ich deinen wissen.«
Sie wirkte plötzlich etwas verlegen. »Sarah Jarvis-Cockley.«
Diesmal lachte ich. Wirklich ein idiotischer Name! »Jarvis-Cockley?« Das klang wie aus einem Monty-Python-Film.
»Der Name stammt aus Yorkshire«, erklärte sie mir. »Ich bin in York geboren.«
Ich machte bei einer Telefonzelle Halt und versuchte Josh anzurufen. Es wäre zwecklos gewesen, zu ihm hinauszufahren, wenn er noch nicht zurück war. Josh war zu Hause und freute sich auf unseren Besuch. Wir nahmen uns ein Taxi, fuhren über den Potomac River zurück und folgten dem Jefferson Davis Highway nach Südwesten in Richtung Pentagon.
Unterwegs saßen wir schweigend nebeneinander. Wir hatten nichts mehr zu besprechen; Sarah hatte mir die beiden Attentäter beschrieben, während wir auf ein Taxi warteten. Die Warterei hatte sich kaum gelohnt. Keiner der beiden wies irgendwelche besonderen Kennzeichen auf. Sarahs
Beschreibung nach mussten wir Ausschau nach zwei Typen wie Bill Gates und Al Gore halten – nur mit dunklerem Teint.
Wir waren beide zu abgekämpft, um viel miteinander zu reden. So hingen wir beide unseren eigenen Gedanken nach, und meine konzentrierten sich darauf, wie zum Teufel ich unseren Plan in die Tat umsetzen sollte. Sarah schob ihren Arm unter meinem hindurch und drückte meine Hand. Sie 488
wusste, was ich dachte. Ich hatte das Gefühl, das wisse sie fast immer, und irgendwie war das beruhigend.
Als wir uns dem Nationalfriedhof Arlington näherten, sah ich hinter den Bäumen auf der gegenüberliegenden
Straßenseite Flugzeuge aufsteigen, die vom Ronald Reagan National Airport am Potomac River gestartet waren. Die Bewölkung hatte zugenommen, aber die Sonne schien immer wieder durch Wolkenlücken.
Ich betrachtete nachdenklich die unzähligen weißen
Grabsteine, die rechts von uns in tadellos ausgerichteten Reihen auf dem üppig grünen Rasen standen. Heldentum angesichts idiotischer Befehle war für mich etwas Alltägliches, aber es war schwierig, von dieser Anhäufung steinerner Todeszeugen nicht beeindruckt zu sein.
Als die Schnellstraße leicht nach rechts abbog, wusste ich, dass das Pentagon gleich um die Ecke lag. Der Verkehr war noch einigermaßen flüssig; in einigen Stunden, wenn der größte Bürokomplex der Welt sich leerte, würde er fast zum Erliegen kommen. Die Parkplätze auf beiden Seiten der Straße waren so riesig wie die von Disneyland.
Dann kam das Pentagon in Sicht. Es sah genau wie das Einkaufszentrum in Fayetteville aus – nur die Farbe der Steinverkleidung war hässlicher. Es verschwand für kurze Zeit, als wir unter einer Straßenbrücke hindurchfuhren. An einem der Brückenpfeiler war noch immer ein unbeholfen
hingemaltes Hakenkreuz zu sehen. Josh betrachtete es als Wahrzeichen der US-Demokratie. »Der Tag, an dem es
entfernt wird«, hatte er mir einmal erklärt, »ist der Tag, an dem es keine Meinungsfreiheit mehr gibt.« Ich sah es nur als Markierung auf halber Strecke zwischen der Innenstadt und 489
seinem Haus.
»Noch ungefähr zwanzig Minuten«, erklärte ich Sarah. Sie nickte, ohne den massiven Steinklotz des Pentagons aus den Augen zu lassen. Hinter dem Gebäude startete ein Chinook-Hubschrauber, dessen Heckklappe sich eben schloss. Ich hatte es immer gern, wenn die Klappe sich schloss; sie hielt die Kälte ab.
Ich war häufig bei Josh gewesen, während wir über Kellys Zukunft berieten. Er wohnte in dem Vorort New Alexandria, der südlich von Alexandria und ziemlich weit südwestlich von Washington lag, aber die Leute, die dort lebten, nannten
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