Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
gedachten Zweck nicht ausreichend, sodass die jeweiligen Geheimhaltungsstufen vorläufig noch durch verschiedene physische Geheimhaltungsverfahren gewährleistet werden müssen, was wiederum bedeutet, dass in Bezug auf die Weitergabe von Informationen zwischen den einzelnen Ebenen noch Diskussionsbedarf besteht.«
Ich hatte schon nach dem zweiten Satz abgehängt. »Was zum Teufel wollen Sie damit sagen?«
Sein Löffel kämpfte mit dem vielen Zucker in seiner Tasse.
»Ist von ›Diskussionsbedarf‹ die Rede, heißt das immer, dass 476
die Zuständigen das Problem noch nicht im Griff haben. Ab und zu gelingt es, das System zu überlisten. Vor allem in der Anlaufphase, in der ohnehin noch zahlreiche Unstimmigkeiten beseitigt werden müssen.«
Er spielte wieder die Cheshirekatze und trank einen kleinen Schluck von seinem bestimmt sehr süßen Tee. Ich wartete darauf, dass ihm die Zähne ausfielen, als er weitersprach. »Völlig unzugänglich ist im Augenblick nur die neue vierte Ebene. Ich weiß nicht einmal, welchen Namen sie hat, so geheim ist sie.
Wer weiß, vielleicht ist sie nur für den Präsidenten und ein paar seiner besten Freunde?«
Ich rührte meine Tasse nicht an, sondern blätterte in den Dokumenten und suchte Dinge, die ich verstand. Metal Mickey trank geräuschvoll einen weiteren Schluck Tee. »Vieles davon werden Sie überhaupt nicht brauchen können. Mein Freund hat einfach alle Dokumente heruntergeladen, die relevante Informationen enthalten könnten. Er ist ein wirklich netter Junge. Trinken Sie Ihren Tee, Nick, sonst wird er kalt.«
Ich nickte wortlos. Metal Mickey verstand, was das
bedeutete; ich hörte, wie er seine Teetasse auf die Untertasse stellte. Dann stand er auf, ging in die Küche und kam mit seiner Laptoptasche zurück. »Nick, ich hoffe, dass Sie die Lektüre interessant finden. Den Tee und die Milch lasse ich Ihnen da.«
Ich sah zu ihm auf. »Danke, Kumpel.«
»Sie vernichten natürlich alles Material, bevor Sie gehen?«
»Kein Problem.«
Er ging zur Tür, drehte sich noch mal um und hielt die an seinem Zeigefinger baumelnden Wohnungsschlüssel hoch.
»Grüßen Sie Sarah von mir, ja? Sagen Sie ihr, dass ihre 477
Schlüssel bei Wayne hinterlegt sind.«
Ich bemühte mich, ein verständnisloses Gesicht zu machen.
»Äh, was?«
Aber Metal Mickey grinste nur. »Oh, Sie sind so leicht zu durchschauen, Nick! Sicherheitsüberprüfung? Dass ich nicht lache! Sie wollen mit Sarah ins Bett, stimmt’s? Ich bin nämlich nicht blöd, wissen Sie. Ich wette, dass man Ihnen gesagt hat, ich sei nicht ganz richtig im Kopf. Nun, von mir aus sollen sie das alle glauben. Mir geht’s nur um meine Rente, meine herrliche Invalidenrente, die schon beantragt ist.« Er wandte sich lachend ab, um zu gehen.
»Michael, bitte danken Sie Ihrem Freund für seine wertvolle Hilfe«, sagte ich.
Er winkte ab. »Längst erledigt. Denken Sie daran, Sarah von mir zu grüßen. Byeee.« Die Wohnungstür fiel hinter ihm ins Schloss. Ich stand auf und ließ den Sicherheitsriegel einschnappen. Falls jemand auf die Idee kam, hier
einzudringen, würde ich wenigstens noch versuchen können, die Unterlagen im Klo verschwinden zu lassen.
Meine Baby-G zeigte mir, dass ich noch eine Stunde Zeit hatte, bevor ich zu dem Treff mit Sarah fahren musste. Ich nahm mir das Schriftstück mit der Kennung Intelink P: Präsidentenweisung 12958 vor. Ich blätterte darin, konnte aber nichts mit dem Inhalt anfangen, der aus detaillierten Anweisungen zur Geheimhaltung von Dokumenten bestand.
Vielleicht hatte Metal Mickeys Freund Sinn für Humor.
Die beiden nächsten Schriftstücke hießen
Präsidentenweisung 12863: Beraterausschuss (zur Errichtung eines Gremiums, das den Präsidenten in Fragen der
Auslandsaufklärung beraten sollte) und Präsidentenweisung 478
12968: Zugang zu Geheiminformationen. Ich ackerte Texte durch, die zu einem Fünftel aus unverständlichen Abkürzungen zu bestehen schienen, und verstand überhaupt nichts.
Dann sah ich, warum ich dieses Material bekommen hatte.
Einer der Absätze trug die Überschrift Jousef. Ich spürte einen Adrenalinstoß.
Ich las langsam weiter, um garantiert jedes Wort zu
verstehen.
Seit 1995 hatte das FBI mehrere Spitzenbeamte der
Regierung Clinton überwacht. Ursprünglich hatte es einen von ihnen verdächtigt, für Saudi-Arabien zu spionieren, aber in letzter Zeit hatte sich herauskristallisiert, dass der Empfänger anscheinend Bin Laden war. Diesem Bericht nach gehörte
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