Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
in Eigröße, eine Rolle schwarzes Klebeband und mehrere lange Kabelbinder.
Als ich die Beifahrertür öffnete, sah Val zu mir auf und dann zu dem Kofferraum und seinem Inhalt hinüber. Ich hatte keine Ahnung, was mit ihm geschehen würde, nachdem ich ihn in St. Petersburg abgeliefert hatte, aber das war mir egal. Mich interessierten nur die 500000 Dollar, die für ihn geboten wurden - oder der Rest, der mir gehörte, wenn Sergej seine 200000 Dollar bekommen hatte.
Nach einem erneuten Rundblick hob ich meine 88, winkelte das Handgelenk an, rammte die Pistolenmündung von oben unter seine schusssichere Weste und nahm meine Hand dann wieder herunter, sodass die Mündung sich in Vals Hemd verhakte. Ich brauchte seinen Kopf nicht nach unten zu drücken; er wollte selbst sehen, was passierte, als ich meinen Zeigefinger wieder auf den Abzug legte. Ich hob die Waffe etwas höher, damit er sehen konnte, wie ich sie mit dem Daumen entsicherte, und auch das Klicken hören musste.
Ich brauchte ihm nicht erst zu erklären, was das bedeutete. Schließlich hatte er als Verbrecher nicht dadurch Karriere gemacht, dass er alten Damen über die Straße geholfen hatte. Aus seiner Sicht war dies ein Tag wie jeder andere. Nachdem er bisher überlebt hatte, würde er jetzt nicht damit anfangen, sein Leben zu riskieren.
Mit meiner freien Hand packte ich den Unterrand seiner Weste. »Auf, auf, auf!«
Es gab keinen Widerspruch. Er richtete sich im Fußraum kniend auf und kam auf den Asphalt herausgestolpert.
Ich drehte ihn so um, dass die Rückseiten seiner Oberschenkel am Kofferraum des Volvos anlagen und lehnte mich gegen ihn, während in der Ferne weitere Sirenen heulten und der Hubschrauberpilot sich bemühte, bei auffrischendem Wind seine Position zu halten. Val begriff, was er tun sollte, und kletterte rückwärts in den Kofferraum, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Sein Blick war weiter nicht ängstlich, sondern jetzt mehr analytisch, als nehme er eine Art Charakterbeurteilung vor, um mich richtig einschätzen zu können. Er war völlig cool und beherrscht. Das war bestimmt keine Reaktion, die man von einem Entführten erwartete, und ich fand sie leicht entnervend.
Nun lag er mit hochgezogenen Knien und auf dem Bauch ruhenden Händen im Kofferraum. Ich nahm die 88 in meine linke Hand, griff nach der orangeroten Plastikkugel und stopfte sie ihm in seinen Mund. Auch dagegen sträubte er sich nicht sondern schnaubte nur durch die Nase, als ich die Kugel zwischen seine Zähne drückte.
Reggie und Ronnie hatten des Ende des breiten schwarzen Klebebands umgeschlagen, so dass ich das
Ende mit den Zähnen packen und von der Rolle abziehen konnte. Ich brauchte nur eine Hand, um es mehrfach um Vals Kopf zu wickeln, bis Mund und Augen verdeckt waren und lediglich die Nase frei blieb.
Wieder ein Streifenwagen mit Blinklicht und Sirene diesmal auf der Seitenstraße aus der Richtung, aus der ich gekommen war. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis die Polizei anfing, die Parkplätze zu kontrollieren.
Dann hörte ich, wie der Triebwerkslärm des Hubschraubers sich veränderte. Er hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und leuchtete mit seinem nun auf 45 Grad gestellten Scheinwerfer das Gelände vor sich ab. So kam er langsam in meine Richtung.
Ich knallte den Kofferraumdeckel über Val zu und sprang wieder in den Hilux, während das Knattern der Rotorblätter lauter und das Licht heller wurde. Vor diesem gleißend hellen Scheinwerferstrahl konnte man sich nicht verstecken, sobald er einen erfasst hatte. Tat er das, würde ich die 500000 Dollar in den Wind schreiben und zu Fuß flüchten. Meine Fluchtroute stand bereits fest: geradewegs über den Zaun und ins Labyrinth aus Apartmentgebäuden dahinter.
Ich saß da und wartete; sonst konnte ich nichts tun. Der Volvo und der Lieferwagen wurden voll erfasst, und ich kam mir wie in einer Szene von Close Encounters vor, als beide Fahrzeuge mit Licht überflutet wurden. Aber Sekunden später veränderte das Triebwerksgeräusch sich erneut, als der Hubschrauber in Richtung Hauptstraße abdrehte. Der Parkplatz lag wieder im Dunkeln.
Ich fuhr den Lieferwagen in eine Parklücke, kam zurück und öffnete den Kofferraum, um nach Val zu sehen. Er atmete schwer. Ich beobachtete ihn und wartete. Vielleicht hatte er Probleme mit den Stirnhöhlen, einen Schnupfen, eine Grippe. Ich wollte nicht, dass er unterwegs erstickte; ich wurde nur für Lebendvieh bezahlt. Er schnaubte laut durch die
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