Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Während ich darauf wartete, dass es kochte, beobachtete ich, wie Val schlotterte. Er war nahe genug an den Heizkörper herangerückt, um ihn zu schwängern. Die in sein Gesicht eingegrabenen Falten verrieten, dass er ein schweres Leben gehabt hatte. Trotzdem hatte er sich sein slawisches gutes Aussehen bewahrt: breite
Wangenknochen, grüne Augen und dunkelbraunes Haar, das an den Schläfen zu ergrauen begann und ihn für einen Gangster ziemlich würdevoll aussehen ließ.
Ich musste den Hut vor ihm ziehen. Der Junge hatte es wirklich weit gebracht: Mercedes, Leibwächter,
Luxushotels und Klassefrauen. Das machte mich neidisch, denn meine Zukunft sah ebenso mies aus wie meine Vergangenheit.
Das Wasser begann zu kochen, als ich die auf der Arbeitsplatte stehende Packung Knäckebrot öffnete. Ich mampfte eine Scheibe, dann übergoss ich die gemahlenen Bohnen im Kaffeebereiter mit dem kochenden Wasser.
Val hatte die Knie hochgezogen und versuchte, sich durch Körperbewegungen in seinen Mantel zu schlängeln. Seine normale Gesichtsfarbe kehrte allmählich zurück, und seine Augen verfolgten aufmerksam jede meiner Bewegungen.
Die Ausrüstung des Teams war in Reisetaschen verpackt, die links neben der Haustür aufgestapelt waren. Sergej und ich hatten hierher zurückkommen wollen, sobald wir die Zielperson in St. Petersburg abgeliefert hatten - ich, um nach Schweden zu fahren und von dort die Autofähre nach Deutschland zu nehmen; er, um hier alle Spuren unserer Anwesenheit zu beseitigen. Ich griff mir eine der Reisetaschen und warf sie auf den Küchentisch. Nachdem ich meine Pistole weggesteckt hatte, angelte ich weitere Kabelbinder aus der Tasche und verband drei zu einem einzigen langen Plastikstreifen. Dann kam ich hinter dem Tisch hervor, packte Val an den Schultern, zerrte ihn zu der Mittelsäule hinüber und drückte ihn nach unten, bis er an die Säule gelehnt auf dem Fußboden saß. Nachdem ich seinen rechten Oberarm an die Säule gefesselt hatte, zerschnitt ich mit dem Leatherman die ursprüngliche Fessel, so dass sein linker Arm wieder frei war. Von dort konnte er nicht weg, außer er imitierte Samson aus der Bibel und nahm die Säule mit.
Ich ging hinter den Küchentisch zurück, drückte den Kolben des Kaffeebereiters hinunter und füllte zwei große Becher mit dampfend heißem Kaffee. In beide warf ich je eine Hand voll Würfelzucker, den ich mit meinem Messer umrührte. Ich wusste nicht, wie er seinen Kaffee trank, aber ich bezweifelte, dass er sich beschweren würde. Normalerweise nahm ich selbst keinen Zucker, aber heute machte ich eine Ausnahme.
Ich ging zu ihm hinüber und stellte seinen Becher auf den Fußboden. Er dankte mir mit einem knappen Nicken. Ich konnte mich nicht mit ihm verständigen, sonst hätte ich ihm gesagt, dass ich die drei kleinen Brüder des Todes - Nässe, Kälte und Hunger - aus eigener Erfahrung kannte und sie niemandem gewünscht hätte. Außerdem war es mein Job, ihn am Leben zu erhalten, statt seine Lage noch zu verschlimmern.
Aus dem Scanner kamen weiter kurze unverständliche Meldungen, als ich mich Val gegenüber an den Küchentisch setzte. Nachdem ich ein paar Schlucke genommen hatte, wurde es Zeit für einen Kostümwechsel. Ich fühlte mich in diesen Klamotten unwohl, und falls ich aktiv werden musste, wollte ich bestimmt keinen Anzug und Schnürschuhe tragen. Ich stellte meine Reisetasche auf den Tisch und holte Jeans, Timberland-Stiefel, ein T-Shirt, ein Sweatshirt und eine grüne Vliesjacke von Helly Hansen heraus.
Der Tschetschene beobachtete mich scharf, während er seinen Kaffee trank und ich mich umzog. Ich hatte den Eindruck, er freue sich heimlich darüber, dass ich den Funkverkehr aus dem Scanner nicht verstand.
Als ich meine Pistole vorn in den Hosenbund meiner Jeans steckte, fühlte ich mich gleich wieder viel wohler.
Ich trank meinen Kaffee aus. Valentin hatte seinen
Becher geleert und vor seine Füße auf den Boden gestellt. Ich ging mit dem Kaffeebereiter und einer Packung Knäckebrot zu ihm hinüber. Er nickte dankend, als ich uns beiden Kaffee nachschenkte.
Danach saß ich wieder am Tisch und aß die letzten Bananen, die Reggie und Ronnie zurückgelassen hatten. Der Scanner knackte und rauschte weiter, und in den Pausen zwischen kurzen Meldungen war nur zu hören, wie Val sein Knäckebrot knabberte.
Ich konnte nicht aufhören, an Sergej zu denken. Was war, wenn er nicht aufkreuzte? Darüber war ich mir noch nicht im Klaren. Ich hatte ihn
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