Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
die ein großes Tor sein konnte. Vielleicht standen darin ihre Fahrzeuge. Aber wo waren die Satellitenschüsseln?
Vielleicht irgendwo hinter den Gebäuden? Oder
erkundete ich etwa die hiesige Rote-Rüben-Kocherei?
Und wo konnten sie Tom eingelocht haben?
Was tun? Ich stand vor dem gleichen Problem wie bei der Microsoft-Zentrale: zu viel jungfräulicher Schnee und nicht genug Zeit. Es wäre großartig gewesen, einen Rundgang um das gesamte Gelände zu machen, aber das konnte ich leider nicht. Ich überlegte sogar, ob ich den Blechschornstein des Hangargebäudes besteigen sollte, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen. Aber selbst wenn er sich über angeschweißte Tritte besteigen ließ, hätte ich auf dem Dach oder den Tritten Spuren hinterlassen – und was hätte ich nachts aus der Ferne sehen wollen?
Ich lag da und rief mir ins Gedächtnis zurück, dass man in Fällen, in denen einem die wichtigsten
Voraussetzungen – Zeit und Informationen – fehlen, oft nur mit V für viel weiterkommt … mit viel Sprengstoff.
Also blieb ich vorerst, wo ich war, stellte mir vor, wie ich ein Loch in die Mauer sprengen und das Zielobjekt erreichen würde, und ging in Gedanken die Liste der Dinge durch, die ich brauchen würde. Einen Teil dieser Sachen würde Acht mir besorgen müssen, weil ich sie in der knappen Zeit, die mir zur Verfügung stand,
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unmöglich selbst beschaffen konnte. Versagte Acht als Beschaffer, würde Plan B daraus bestehen, dass ich mir ein Selbstmordtuch um den Kopf band, ans Tor
hämmerte und wüste Drohungen ausstieß. Aber in
Wirklichkeit wäre jeder Versuch, ohne Sprengstoff auszukommen, wegen des engen Zeitrahmens zum
Scheitern verurteilt gewesen. Den Rest meiner
Ausrüstung würde ich mir selbst besorgen, damit alles genau meinen Anforderungen entsprach. Ich hasste es, auf andere Leute angewiesen zu sein, aber daran war diesmal nichts zu ändern.
Die Kälte setzte mir jetzt zu, und ich begann
allmählich zu erstarren. Ich hatte alles gesehen, was ich heute Abend sehen würde. Ich stand vorsichtig auf, um keine Spuren im Schnee außerhalb der Fahrspur zu
hinterlassen, und tastete den Boden ab, um mich zu vergewissern, dass mir nichts aus den Taschen gefallen war. Das war nur eine Angewohnheit – aber eine gute, Auf dem Rückweg zur Straße achtete ich auf den Schnee auf beiden Seiten der Fahrspur, um etwaige Fußspuren beseitigen zu können. Hätte ich welche abdecken
müssen, hätte ich den Schnee dafür aus der Nähe des Lada holen müssen. Solche Details waren wichtig: Es hatte keinen Zweck, den Schnee für eine Reparatur aus der Nähe zu holen und dabei neue Spuren zu hinterlassen.
Als ich zu dem Lada zurückkam, war mir ziemlich
warm geworden. Nachdem ich die Motorhaube geöffnet hatte, musste ich leider als Erstes meine Jacke ausziehen und damit den Anlasser abdecken. Ich wollte nicht, dass Toms neue Freunde hörten, wie ich ihm einen
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Hammerschlag versetzte.
Ich riss die Zeitschrift unter den Scheibenwischern heraus und gelangte diesmal viel schneller hinters Lenkrad, weil ich jetzt wusste, wie man die Fahrertür aufbekam. Der Motor sprang beim dritten Versuch an.
Ich fuhr mit niedriger Drehzahl davon – diesmal nicht am Zielobjekt vorbei, sondern geradeaus weiter, um zu versuchen, die Fernstraße nach Narva auf einer anderen Route zu erreichen. Ich verfuhr mich mehrmals, fand sie aber schließlich doch und reihte mich wieder in das wilde Rennen ein.
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Ich stellte den Lada wieder auf dem Parkplatz an der Grenze ab. Der König der Löwen zeigte 21.24 Uhr an.
Ich konnte unter keinen Umständen einfach vor dem Haus vorfahren, in dem Acht wohnte; ich musste erst kontrollieren, ob Zimmermann etwa zurückgekommen
war. In diesem Fall würde ich nachts in der Nähe des Hauses herumlungern und darauf warten müssen, dass er wieder wegfuhr.
Ich sperrte den Wagen ab und machte mich mit tief in den Taschen vergrabenen Händen und gesenktem Kopf auf den Rückweg zu der Baar. Als ich mich ihr von dem verbrannten Schuppen aus näherte, sah ich, dass der BMW nicht zurückgekommen war. Vor dem Haus
standen noch zwei Autos, die inzwischen mit einer 507
dicken Eisschicht bedeckt waren.
Einer der beiden Cherokees war nicht mehr da. Was bedeutete das? Scheiß drauf, darüber konnte ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Wann war der beste
Zeitpunkt, das Haus zu betreten? Ich würde es einfach riskieren müssen. Ich wollte nur meine Ausrüstung zusammenbekommen und
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