Sternenfaust - 147 - Blinder Hass (1 of 2)
Cisalpha, Ende des 21. Jahrhunderts irdischer Zeitrechnung
Die Atmosphäre des Planeten schien zu brennen.
Fingostias richtete seinen Sehsinn auf das Gletschergebirge am Horizont, das dem Regierungssitz seines Vaters in einiger Entfernung gegenüberlag, und meinte zu erkennen, wie sich lange Feuerzungen aus dem All bis auf die eisige Oberfläche von Apruumf erstreckten.
Die Unheilvollen , dachte der junge Apri und kniff verzweifelt den Sehschlitz zusammen. Sie machen ihre Drohung wahr. Heute ist der Tag, an dem sie uns endgültig vernichten werden …
Fingostias richtete sich von allen Vieren auf die Hinterbeine auf und stieß ein Grollen aus, das von den teiltransparenten Wänden des Gebäudes, in dem er sich befand, widerhallten.
»Vater!«, klagte er, wandte sich von der Fensteröffnung ab und eilte mit watschelnden Schritten in das Amtszimmer des Charisma-Herrschers. »Vater! Die Unheilvollen zerbrechen Apruumf! Sie schlagen unsere Heimat in Stücke! Die vernichtenden Strahlen ihrer Schiffe nähern sich der Stadt! Was sollen wir nur tun?«
Branosis, sein Vater und der Oberste der Apri, rollte sich in seiner Ruhekuhle herum. Er war wegen seiner imposanten und außergewöhnlichen Körpergröße zu ihrem Herrscher ernannt worden, so wie es seit je her Sitte war.
»Es ist zu spät, mein Sohn«, knurrte er leise, ohne jede Hoffnung in der Stimme. »Sie haben uns geschlagen. Dies ist nun der Untergang der Apri. Jahrtausendelang haben wir diesen Planeten gehegt und gepflegt, so wie es uns ehemals Eisgott Pru aufgetragen hatte. Wir gruben die Krallen in den Boden, bis wir unter der Eisschicht auf Wasser trafen. Wir fingen die Flitzer im Wasser, aßen sie und vermehrten uns. Dann entdeckten wir die Härte, die im Eis gelöst war, und aus deren Grundstoff wir heute sogar die Hüllen für unsere Raumschiffe herstellen. Die Apri machten sich die Welt zunutze, waren rücksichtsvoll und neugierig. Und diese Neugier wurde ihnen schließlich zum Verhängnis …«
Branosis richtete sich nun doch auf. Das Reden über die Geschichte der Apri schien ihm ein wenig mehr Kraft in die kalten Glieder zu pumpen. Aus der halbrunden Öffnung in der Wand kletterte er nach unten. Dazu schob er seine jeweils drei Hornkrallen der Vorder- und Hinterläufe in Vertiefungen, die senkrecht ins hinaufragende Eis geschlagen worden waren.
Branosis, der letzte Charisma-Herrscher der Apri , durchfuhr es Fingostias, während sein Vater sich die Eiszapfen aus dem halblangen weißen Fell schüttelte. Die gefrorenen Tropfen klirrten, als sie an der Wand und auf dem Boden zerschellten. Mein Vater war bis zuletzt der Imposanteste von uns. Auch wenn er aufgrund seines Alters an Haltung und Mut verloren hat – sein Charisma blieb dabei nicht auf der Strecke.
Eine Welle tiefen familiären Mitgefühls überkam ihn. Stoßweise atmete er kleine Wölkchen aus der Schlundöffnung in seinem Gesicht. Er wandte den runden, von Hornplatten geschützten Kopf ab. Sein Vater sollte nicht sehen, wie verzweifelt er war. Mit dem behaarten Krallenrücken wischte er sich gelbliches Sekret aus den Rändern seiner schlitzartigen Sehöffnung.
Branosis war inzwischen zu ihm gekommen und hatte sich auf die Hinterbeine erhoben. Fast drei Meter, einen halben Meter höher als der durchschnittliche Apri, ragte er nun in das spartanisch eingerichtete Amtszimmer hinauf. »Ich weiß nicht … Vielleicht wäre es besser gewesen, die Apri hätten sich nie von der Oberfläche Apruumfs erhoben, um zu den Sternen zu fliegen. Und als es soweit war, hätten wir uns auf unser System beschränken und nicht noch weiter in die unendliche Tiefe des Raums vordringen sollen.«
Fingostias rieb sich mitfühlend an der Seite seines Vaters. »Es ist nicht unsere Schuld, dass die Apri so sind, wie sie sind«, wiegelte er ab. »Sicher gibt es noch mehr Wesen im All außer uns und den Unheilvollen, und nicht alle werden so sein wie diese Zerstörer unserer Zivilisation.« Er kam sich komisch dabei vor, so nüchtern über ihr Ende zu sprechen, aber die Anwesenheit des Charisma-Herrschers wirkte wie immer beruhigend auf ihn. »Wenn Pru und seine Gefährten, die einst mit ihm zusammen das Ewige Eis schufen, es so wollten, hätte sowieso kein Weg an unserer Vernichtung vorbeigeführt. Sie waren es, die uns Verstand und Neugier verliehen. Sie gaben die Härte ins Eis, die wir, als unser Geist soweit war, entdeckten und nutzen konnten. Also sind auch sie es, die uns auf die Unheilvollen treffen
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