Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
den Angeln hängende Tor im Maschendrahtzaun zuging, das seit vielen Jahren nicht mehr geschlossen worden war. Ich behielt die Mauer des Lagerhauses links neben mir, um wenigstens etwas Deckung zu haben, als ich durch das Tor ging. Als Lofti zu mir aufschloss, hielt er weiter seine Pistole in der Hand. »Weg mit dem Scheißding!«, knurrte ich. »Willst du, dass andere Leute sie sehen?«
Während ich weiterging, blieb er ein paar Schritte zurück, um seine Pistole wegzustecken. Vor mir hatte ich eine Ansammlung heruntergekommener Gebäude, die mindestens dreißig, vielleicht sogar vierzig Jahre alt waren und teils gemauert, teils mit Wellblech verkleidet waren. Die Isolierung der Fernwärmerohre zwischen den Gebäuden war mit Teerfarbe gestrichen und an vielen Stellen mit Draht umwickelt. Überall standen Container, aus denen Abfälle quollen. Auf dem ölfleckigen Asphalt, der seine geraden Kanten längst verloren hatte und sich in Erdreich zurückzuverwandeln begann, stapelten sich Altreifen. Am Rand des Geländes stand sogar ein altes steinernes Bauernhaus mit Stall und Scheune, das den Kampf gegen die alles überwuchernden Banlieues längst aufgegeben hatte.
Ich schob mich langsam vorwärts, nutzte die Mauer des Lagerhauses als Deckung und bemühte mich, möglichst normal zu wirken. Als ich das Ende der Mauer fast erreicht hatte, nahm ich links von mir eine Bewegung wahr. Dort verschwand das Heck des Lexus in einem hohen Klinkerbau. Ich streckte die linke Hand hinter mir aus. »Stopp, stopp!«
Während ich an die Mauer gelehnt dastand, fuhr ein Zug auf dem Bahnhof ein, der rechts voraus am Rand des Gewerbegebiets lag. Seine laut kreischenden Bremsen übertönten das Scheppern, mit dem das eiserne Rolltor hinter dem Hawallada und seinen Männern herunterrasselte.
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Ich setzte die Sonnenbrille ab, um das Gebäude besser sehen zu können, und steckte sie in meine Bauchtasche.
Das Gewerbegebiet bestand aus sechs bis sieben heruntergekommenen Gebäuden, die um einen großen freien Platz herum angeordnet waren. Das Zielgebäude, in das der weiße Lieferwagen hoffentlich hineingefahren war, stand in der am weitesten von uns entfernten linken Ecke. Der dunkle, schmuddelig wirkende Klinkerbau war ungefähr vierzig Meter lang und gut fünfzehn Meter hoch. Die einzige Öffnung in seiner fensterlosen Fassade war das verrostete Lkw-Rolltor im linken Drittel. Auf dem Flachdach waren dreieckige Oberlichter angeordnet, die wie Dinosaurierflossen in die Luft ragten und mich an etwas auf einem Gemälde von L. S. Lowry erinnerten. Zwei weitere Gebäude - eine umgebaute gemauerte Scheune und das alte Bauernhaus - bildeten die linke Seite des Platzes bis zur Rückseite des Lagerhauses. Unmittelbar dahinter lag der Fluss.
Lofti gab sich große Mühe, seine Atmung zu kontrollieren; er hielt den Mund geschlossen und atmete geräuschvoll durch die Nase. An seiner linken Schläfe pulsierte eine Ader, während er das Gebäude keine Sekunde lang aus den Augen ließ. »Er weiß, dass ich komme, um ihn rauszuholen«, sagte er. »Er wartet auf mich.«
Als er sich in Bewegung setzen wollte, streckte ich den Arm aus, um ihn zurückzuhalten, und sah mich gleichzeitig besorgt nach Dritten um. Es war Mittag, überall waren Leute unterwegs, auf der Hauptstraße herrschte lebhaft er Verkehr. »Ich glaube, dass ihm vorläufig noch nichts passiert, Kumpel. Spitzbart wird wissen wollen, was das alles zu bedeuten hat - deshalb ist er hier, das muss der Grund sein. Wir haben noch Zeit, uns einen Plan zurechtzulegen.« Ich versuchte, Blickkontakt mit ihm herzustellen, aber er war zu sehr auf das Gebäude fixiert. »Dort kommen wir sowieso nicht rein - du siehst ja, dass es auf dieser Seite keine Fenster, keine Zugangsmöglichkeit gibt. Nur dieses schwere Rolltor, das heruntergelassen und verriegelt ist. Und selbst wenn wir reinkämen, hätten wir keine Ahnung, wie viele Kerle sich darin aufhalten .«
Loftis Blick blieb starr auf das Gebäude gerichtet, während er meine Einwände mit einer Handbewegung beiseite wischte. »Für mich ist das alles unwichtig. Allah wird entscheiden, wie die Sache ausgeht. Ich muss dort rein.«
»Das machen wir gemeinsam. Hör zu, wenn Allah entscheidet, wie die Sache ausgeht, sollten wir ihm mit einer Erkundung zur Hand gehen, damit er besser Bescheid weiß.« Diesmal gelang es mir, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen, und er lächelte schwach. »Du gehörst vielleicht zu den Leuten, auf die er wohlwollend
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