Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
brachten noch immer Bilder aus Afghanistan, wo die Taliban jetzt auf der Flucht waren. »Die Menschenjagd von innen« hieß die Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins Time, und Osama Bin Ladens Gesicht starrte mich durchs
Fadenkreuz des Scharfschützengewehrs eines Grafikers an.
Ich hatte George nicht wieder gesehen und wusste noch immer nicht, was mit mir geschehen würde. Meine große Hoffnung war, dass unter dem Weihnachtsbaum ein Reisepass für mich liegen würde, aber ich war Realist genug, um zu wissen, wie wenig wahrscheinlich das war.
Der Zug ratterte durch Rivere weiter. Auf dieser Strecke kam ich mir jedes Mal wie in einer Unterrichtsstunde über amerikanische Geschichte vor: Wohin man auch sah, gab es irgendwelche Erinnerungen daran, dass man den Briten hier vor ein paar hundert Jahren in den Hintern getreten hatte. Ich erinnerte mich daran, wie ich Carrie versichert hatte: »Wir kommen wieder, sobald der Mietvertrag ausläuft.« Das war mir damals recht komisch vorgekommen, aber heute konnte ich nicht einmal darüber lächeln: Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir zu überlegen, ob heute wohl wieder ein britischer Hintern seinen Teil abkriegen würde.
Wenige Stunden nach der Explosion der Neunter Mai und nachdem die beiden Teams in Grauschopfs Auftrag versucht hatten, den Feuerball zu ergründen, den sie bei ihrer Annäherung aus der Ferne gesehen hatten, war das US-Kriegsschiff ankerauf gegangen. Sobald die italienische Westküste in Reichweite lag, wurde ich in einen Hubschrauber verfrachtet.
Der Stab der amerikanischen 16th Air Force lag in Aviano, etwa eineinhalb Autostunden von Venedig entfernt, aber die Lagunenstadt bekam ich nicht zu sehen.
Die drei Tage meines dortigen Aufenthalts verbrachte ich in einem gesichtslosen Stabsgebäude, in dem ich von zwei Männern und einer Frau befragt wurde, während draußen F-16-Jäger röhrten und drinnen eine Kaffeemaschine zischte, deren Strom häufig ausfiel. Wenigstens war der Kaffee an Bord der USAF-Maschine, die mich in die Staaten zurückbrachte, merklich heißer.
Die drei erzählten mit, George sei fast ausgeflippt, als er hörte, dass es Fettkloß erwischt habe. Ich verbrachte einige Zeit damit, Konstruktion und Funktionsweise des Sprengsatzes zu schildern, konnte mir aber überhaupt nicht erklären, wie es zu der Detonation gekommen war. Vielleicht weil jemand sich verwählt hatte? Das war immer unsere Sorge gewesen.
Die drei nickten und wechselten das Thema, aber ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis George sich die Aufzeichnungen von Thackerys Telefongesellschaft genau ansah. Auch in diesem Fall würde ich einfach den Dummen spielen müssen, was zu den wenigen Dingen gehörte, die ich wirklich gut beherrschte.
Während meines Aufenthalts in Aviano hatte ich wenigstens Zeit, meine beiden gebrochenen Rippen zu schonen, wobei ich kübelweise Codein schluckte und im Sitzen auf einer Couch schlief.
Gumaa und Spitzbart hatten weniger Glück. Die beiden hatten den Vernehmern bereitwillig erzählt, wer ihre Kontaktpersonen in den USA waren, und die Amerikaner hatten bereits mehrere Sechsmannzellen, davon eine im Raum Detroit, heimlich ausgehoben. Weitere Verhaftungen waren zu erwarten: Die beiden
Hawallada lieferten schneller Informationen als der Wirtschaftsdienst Bloomberg.
Die Detroiter Terroristenzelle hatte einen Anschlag auf die Mall of America in Minnesota geplant. Dieses Einkaufszentrum von der siebenfachen Größe eines Baseballstadions, das pro Jahr über zweiundvierzig Millionen Besucher zählte, war das ideale Ziel für eine »schmutzige« Bombe. Der Attentatsplan entsprach ziemlich genau Georges Befürchtungen. Die sechs Schläfer wollten die Mall am 24. Dezember zu verschiedenen Zeiten durch verschiedene Eingänge betreten, sich auf verschiedenen Etagen an verschiedenen Punkten aufhalten und sich um Punkt 14 Uhr in die Luft sprengen. Um diese Zeit hätten sich in der Mall of America Zehntausende von Kunden gedrängt, Kinder hätten angestanden, um mit dem Weihnachtsmann reden zu dürfen . eben alles, was zum weihnachtlichen Massenandrang gehört.
Ich vermutete, dass es Lofti und Hubba-Hubba ziemlich befriedigt hätte, dass wir das verhindert hatten. Ich wünschte mir nur, sie wären hier gewesen, um unseren Erfolg mit mir zu feiern.
Ihre Leichen lagen wahrscheinlich noch immer in Nizza im Leichenhaus. Niemand würde sie dort beanspruchen; also würden sie vermutlich von den Franzosen verbrannt oder in Armengräbern
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