Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
brauchen konnte.
Er fuhr eine Zeit lang schweigend weiter, dann beugte er sich nach vorn, nahm sein Handy von der Abdeckung über den Instrumenten und gab es mir. »Ruf die Funktion >Namen< auf, okay, Nick? Unter >B< findest du Billman. Das sind die Nachbarn in Hunting Bear, die nebenbei das
Haus betreuen.«
Ich fand die Nummer, ließ sie von dem Handy anwählen und hörte das Klingeln am anderen Ende. Dann meldete sich ein Anrufbeantworter.
Josh zuckte mit den Schultern. »Wir versuchen’s später noch mal.« Er sah zu mir herüber und lächelte schief. »Sie sind wahrscheinlich gerade auf einer Bürgerversammlung und beschweren sich darüber, wie wir die Immobilienpreise in ihrer Siedlung verdorben haben. Vielleicht hätten wir doch nachgeben und der Gemeinde das Grundstück billig verkaufen sollen. Kein Mensch würde jemals ein Haus mit dieser Vorgeschichte kaufen. Sollen sie’s abreißen und dort einen Spielplatz oder sonst was einrichten.« Das hatte einige Zeit gedauert, aber er gelangte allmählich zu meiner Auffassung. »Auch Kelly könnte das auf verrückte Weise helfen. Als eine Art Schlussstrich, verstehst du?«
Er setzte den Blinker, um an der nächsten Ausfahrt von der I-95 auf die I-495, den Washingtoner Autobahnring, abzubiegen. Auf großen Hinweistafeln blinkte ständig die Aufforderung, verdächtige terroristische Aktivitäten sofort zu melden. »Was sollen wir mit unverdächtigen Aktivitäten tun, Kumpel? Sie einfach für uns behalten?«
Josh hatte die letzten Meilen offenbar damit verbracht, seine Gedanken zu sammeln. »Hör zu, Nick, ich sehe die Dinge folgendermaßen. Es ist nichts Neues, ich bin mir meiner Sache nur sicherer. Vor allem werden wir sie niemals aufgeben, was sie auch tut. Sie provoziert nur, weil sie allerhand zu bewältigen hat. Sie muss darüber hinwegkommen, dass ihre Angehörigen tot sind, dass sie sich im Stich gelassen fühlt. Und sie muss damit zurechtkommen, bei uns zu leben. Auf ihrem Herzen lastet schrecklich viel, Mann.«
Ich klappte meine Sonnenblende herunter. »Ich habe sie nicht im Stich gelassen, das weiß Kelly. Sie weiß, dass wir beide der Überzeugung waren, sie sei bei euch am besten aufgehoben.« Ich hörte selbst, wie defensiv das klang.
»Du musst versuchen, die Dinge von ihrem Standpunkt aus zu sehen. Auch wenn sie von Liebe umgeben aufwächst, wird sie’s nicht leicht haben.« Er beugte sich nach vorn übers Lenkrad, um seinen Rücken zu strecken. »Sie entfremdet sich viele Leute, das weißt du. Das ist ihre Art der Lebensbewältigung. Sie zieht sich von uns zurück, bevor wir eine Chance haben, uns von ihr zurückzuziehen. Sie isoliert sich selbst. Wir müssen dafür sorgen, dass sie eine andere Methode findet, ihr Leben zu bewältigen. Eine gute Methode.«
»Du hast zu viel Dr. Phil gesehen, Kumpel.«
Josh ignorierte mich erneut. »Jeder von uns hat seine eigene Art, Krisen zu bewältigen, okay? Ich selbst glaube an Gott und weiß, dass er mich liebt. Das könntest auch du wissen, wenn du ihn nur ließest. Wenn du irgendjemanden an dich heranließest.« Er zeigte anklagend auf mich, während er versuchte, den Lastwagen vor uns nicht zu rammen. »Du versuchst immer nur abzulenken. Geht dir etwas zu nahe, versuchst du, das Thema zu wechseln, dich mit etwas zu beschäftigen, einen Witz zu reißen - irgendwas, um davon wegzukommen. Diese Bemerkung über Dr. Phil war wieder mal typisch. Du versuchst weiter, dich auszuklinken, nicht wahr? Yeah, das tust du - du klinkst dich aus.« Er wandte sich mir zu, und jetzt übernahm ich es, nach vorn durch die Windschutzscheibe zu blicken. »Weißt du, dass du mir nie in die Augen siehst, nie mein Gesicht ansiehst? Weil du Schuldgefühle hast, bleibst du bei deinem bewährten Trick und klinkst dich einfach aus.«
Ich klinkte mich nicht nur aus, ich blendete Josh vollständig aus. »Unsinn, Kumpel.«
Er schüttelte langsam den Kopf. Ein Straßenschild kündigte an, dass wir in Virginia eingefahren waren. »Meiner Überzeugung nach tut sie genau das Gleiche wie du - sie klinkt sich aus, hält alles unter Verschluss. Sie kann’s nicht ertragen, ihre Gefühle rauszulassen, weil sie Angst davor hat, was dann passieren könnte. Sie fürchtet, es könnte so ähnlich werden, als ließe man die Zootore offen, sodass die Löwen und Elefanten entkommen können, wenn du weißt, was ich meine.«
Ich zuckte mit den Schultern, was vielleicht heißen sollte.
»Mann, ich weiß, dass du dein Bestes für sie getan hast,
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