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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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hatte Nicodemus sich immer bemüht, Zaubertexte mit seiner Berührung nicht zu verschreiben. Er hatte die Runensequenz memoriert, sich komplexe Satzstrukturen eingeprägt, gelernt, alle anderen Gedanken auszublenden und sich einzig auf den Erhalt des vorliegenden Zaubers zu konzentrieren. Nun tat er klopfenden Herzens genau das Gegenteil davon.
    »Magister!«, rief Nicodemus und deutete auf seine Hand. Seine Finger hatten sich in die goldenen Sätze des Schilds verkeilt. »Er verschreibt sich!«
    Ein dunkler Riss bildete sich oberhalb seiner Hand, während er seine ganze Kakographie aufbot, um aus den geschliffenen Sätzen krakelige Zickzacklinien werden zu lassen.
    Seltsamerweise verschrieben sich die komplexen Numinussätze ganz genau so, wie Nicodemus es wollte. Sonst hatte Nicodemus’ Berührung immer dazu geführt, dass Zaubertexte außer Kontrolle gerieten. Nun verhielt es sich genau umgekehrt. Doch er hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken; er musste Shannon von Smallwood loseisen.
    »Ich komme nicht los!«, log er. »Ich hänge fest!« Ein zweiter Riss bildete sich unter seiner Hand und verlief abwärts. Insgesamt war der Text so korrumpiert, dass sich eine tiefe Furche durch den magischen Schild zog. »Magister, nehmt einen neuen Schild!«, zischte Nicodemus seinem Lehrer zu. »Formt eine neue Schutzkugel.«
    Gerade in diesem Augenblick drang eine halb aufgelöste Magnuszeile durch die Furche hinein. Das silbrige Fragment schlug Nicodemus ins Gesicht und schnitt ihm einmal quer über die Wange.
    »Nicodemus!«, rief Shannon, als das Blut spritzte.
    Mit der freien Hand hielt sich Nicodemus die Wange. Der Ring aus Schreibfehlern zog sich nun immer enger zusammen, schnürte den Schild ein und begrub Nicodemus unter sich. »Magister Smallwood«, stöhnte Nicodemus. »Helft mir!«
    Der goldene Schild war nun deutlich in zwei Hälften geteilt. Es sah aus wie zwei verbundene Seifenblasen.
    Smallwood hatte sich taumelnd aufgerichtet. Von Nicodemus’ Aufschrei alarmiert schaute er nach oben, wo sich die Hand des Lehrlings mit dem Schild verbunden hatte. Kreischend sprang der bleiche Zauberer auf und begann die korrumpierten Numinussätze, in die sich Nicodemus’ Hand verfangen hatte, zu analysieren.
    Als auch Shannon sich anschickte zu helfen, schüttelte Nicodemus den Kopf. »Geht, Magister! Bedient Euch des anderen Zaubers.«
    Widerstrebend zog Shannon eine kleine Schriftrolle aus der Geldkatze. Mit geübter Hand löste er die Numinussätze vom Pergament und speiste sie in die ihm am nächsten gelegene Wand des Schildes ein. Durch die vermehrte Textmenge in Shannons Hälfte reduzierte sich die Spannung, die trennende Furche schloss sich mit einem festen Knoten, und der Schild war zweigeteilt.
    Nicodemus ließ den Text los und entzog dem Schild seine kakographischeEnergie, während Smallwood sich hektisch daran machte, die korrumpierten Sätze herauszuschneiden.
    Shannon aber, der nun in seinem eigenen Schutzwehr stand, nickte Nicodemus zu und rollte sein Schild zur anderen Seite der Kammer. Kurz bevor der Zauberer im Sturm der zerfallenden Sätze verschwand, sah Nicodemus noch, wie er den Index im rechten Arm hielt und ihn aufschlug.
    »Nicodemus, wie konntest du nur so unvorsichtig sein?«, keifte Smallwood und versiegelte ihren Schildzauber.
    Der Schild war geschrumpft. Nicodemus konnte nur noch geduckt stehen und musste den Kopf schräg halten, als er mit einer Hand an die Wange gepresst das Blut zurückzuhalten versuchte.
    »Shannon vertraut seinen Kakographen viel zu sehr«, sagte Smallwood in einem ungewohnt barschen Ton. »Du hättest uns alle umbringen können. Uns umbringen und den Index zerstören!«
    Nicodemus nuschelte betreten eine Entschuldigung.
    »Also … jetzt zeig mir mal den Schnitt«, sagte Smallwood und klang schon bedeutend sanfter. »Ich tue, was ich kann. Shannon kann die Wunde später mit Magnus nähen.«
    Nicodemus ließ die Hand sinken und wandte den Blick ab. Stechende Schmerzen durchfuhren ihn, als Smallwood die Wunde mit seinem Ärmel reinigte; dennoch konnte Nicodemus ein kleines, zufriedenes Lächeln nicht unterdrücken.
     
    »Das Kunststück mit dem Schild war äußerst töricht und …«, raunte Shannon seinem Schüler zu.
    Vier Wächter geleiteten sie zurück zum Speicherturm, einer von ihnen beäugte ihn misstrauisch.
    Erst als der nordländische Zauberschreiber seinen Blick von ihm ließ, beendete Shannon seinen Satz. »Äußerst töricht, Nicodemus, und äußerst

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