Niederschlag - ein Wyatt-Roman
und darüber, wie lukrativ Kunstdiebstahl sei. »Dieser Coup«, sagte er am Ende, »wird ein Spaziergang. Keine Alarmanlagen, keine Kameras.«
Raymond strich sich über das knochige Kinn. »Ich weià nicht. Was verstehe ich schon von Kunst? Ich müsste einen Partner haben, jemanden, der sich damit auskennt.« Er machte eine Pause. »Was ist mit dem anderen Job?«
Chaffey berichtete von Steer und Denise und dem Untersuchungsgefängnis. »Du kriegst fünfzehn Riesen im Voraus â na, ist das ein Schmecker? Dafür brauchst du Steer nur rauszuholen, musst mit ihm und seiner Freundin ein paar Tage untertauchen und sie anschlieÃend zu einem Frachter bringen, der bei Lakes Entrance vor Anker liegt.«
Raymond zog ein mürrisches Gesicht, was seinem Aussehen nicht gut bekam.
»Irgendeinen Typ aus dem Untersuchungsknast rausholen. Nicht sonderlich anspruchsvoll, oder?«
Chaffey zuckte mit den Achseln. »Schnelles, leicht verdientes Geld. Du fährst ein Auto und spielst ein paar Tage den Babysitter, das ist alles.«
»Ich denk drüber nach.«
»Tu das«, sagte Chaffey.
Raymond saà mit einem Mal da wie versteinert, lauschte. »Sirenen. Hörst du das?«
»Solange sie nicht deinetwegen kommen, alter Junge...«, meinte Chaffey.
FÃNF
Wyatt, die Cops â alles rannte. Von Wyatt vernahm man nur das gleichmäÃige Quietschen seiner Sohlen auf Beton; die Cops machten Lärm, sie schrien und ächzten vor Anstrengung, ihre schweren Schuhe erzeugten ein Dröhnen. Im Lauf zerrte Wyatt eine Baseballkappe aus seiner Jackentasche, dann zog er die Jacke aus, schleuderte sie unter einen parkenden Wagen und krempelte die Ãrmel seines Hemdes hoch. Alles in allem nicht viel, aber oftmals reichte das schon.
In seinem Kopf rotierten die Gedanken. Hätte Heneker die Bullen informiert, hätten sie ihm, Wyatt, im Parkhaus eine Falle gestellt. Sie waren aber erst später eingetroffen, was bedeutete, dass sie Heneker gefolgt waren, ohne den Treffpunkt zu kennen.
Es gab nur eine Erklärung: Die Wirkung des Mogadons war verflogen und Liz Redding hatte die Polizei in Melbourne alarmiert, damit die sich an Henekers Fersen heftete. Und das hieÃ, sie vermutete, Wyatt sei bereits im Besitz der Juwelen und nicht mehr auf der Suche nach ihnen. Sie war ein Cop und Wyatt war Wyatt, also lag es in der Natur der Sache, dass sie weiteren Betrug witterte und unterstellte, er versuche, mit der Versicherung ins Geschäft zu kommen.
Wyatt rannte zur obersten Ebene und auf eine Tür zu, auf der EXIT stand. Er stieà sie auf und befand sich in der Cafeteria eines Kaufhauses.
Ein besserer Zufluchtsort, als er sich erhofft hatte. Das Scheppern von klobigem Keramikgeschirr auf Plastiktabletts, Essbesteck aus Edelstahl, das unter Klappern seinen Behältnissen entnommen wurde, heiÃe, dampfende Quiches hinter Glas, ein glänzendes Geländer aus Chrom und im Nu sah sich Wyatt ans Ende einer lärmenden Warteschlange gedrängt. Morgentee. Er schnappte sich eine einsame Herald Sun von einem Ecktisch, stellte einen Teller mit zwei Stück Gebäck und eine Tasse schwarzen Tee auf sein Tablett und schaute sich nach jemandem um, in dessen Gegenwart er zum gesetzestreuen Bürger würde.
Alle Tische und die meisten Stühle waren besetzt. Wyatts Blick glitt über Tische, wo er auffallen oder für Verärgerung sorgen würde. Ãltere Paare, Freunde, die zusammen einen Kaffee tranken, Einzelpersonen oder Büroangestellte, die sich eine kurze Arbeitspause gönnten â keiner von ihnen kam infrage.
Doch mitten in dieser mit Tischen voll gestellten Zone saà eine Frau mit Kinderwagen und zwei quengelnden Kindern. Wyatt zwängte sich durch zu dem freien Stuhl und fragte: »Darf ich?«, stellte sein Tablett ab und schlug die Zeitung auf. Die Frau sah ihn nur kurz aus müden Augen an und fuhr dann fort mit ihrem Versuch, die miteinander konkurrierenden Bedürfnisse des Babys und der beiden älteren Kinder in Einklang zu bringen. Die beiden Ãlteren nahmen keinerlei Notiz von ihr, sie stritten sich um Dattelgebäck.
»Hier«, sagte Wyatt und schob sein Gebäck über den kleinen Tisch. »Ich habe sie noch nicht angerührt. Irgendwie mag ich jetzt nicht.«
Die Frau lächelte ihn zurückhaltend an. Als ihr klar war, dass er keine Bedrohung darstellte, sagte sie: »Bedankt euch bei dem netten
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