Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
Vom Netzwerk:
Antwort an Einstein hingewiesen. Erwin Schrödinger hatte diesen Gedanken im selben Jahr aufgegriffen und vorgeschlagen, für solche korrelierten Zustände ohne Wechselwirkung den Begriff der »Verschränkung« zu verwenden (englisch: »entanglement«). Dies sei das eigentliche Charakteristikum der Quantentheorie. Sie zeige uns eine verschränkte Welt, die in gewisser Weise am Grund unserer Wirklichkeit existiert.
    Diese Verschränkung erlaubt uns nun im Grunde nicht, von einzelnen Elektronen zu reden. So etwas wie isolierte Teilchen gibt es nicht. Die klassische Zerlegung eines Ganzen in seine Teile ist streng genommen verboten. Wir müssen sie dennoch durchführen, weil wir sonst über die verschränkte Welt gar nicht sprechen könnten.

»Gott würfelt nicht«
    Die Wirklichkeit ist eben anders, als selbst Einstein sich vorstellen konnte. Er hatte in seiner mit Podolsky und Rosen verfassten Arbeit schon mit den Einwänden gerechnet, die Bohr dann auch vorbrachte:
    Tatsächlich würde man nicht zu unserer Schlussfolgerung [der Unvollständigkeit der Quantenmechanik] gelangen, bestünde man darauf, zwei oder mehr physikalische Größen nur dann zugleich als Element der Realität zu betrachten, wenn sie gleichzeitig gemessen oder vorhergesagt werden können... Dadurch wird der Realitätsanspruch... vom Vorgang der Messung abhängig, die am ersten System ausgeführt wird und die auf keine Weise das zweite System beeinflusst. Man darf nicht erwarten, dass dies irgendeine vernünftige Definition der Realität zulässt.
    Kein Zweifel, zwischen Bohr und Einstein bestanden 1935 große Differenzen hinsichtlich der Fragen, was wirklich ist und was die Physik sagen oder wissen kann. Sie waren auch 1949 noch nicht beigelegt, als Bohr seinen Essay veröffentlichte. Einstein erwiderte darauf, dass er mit der Lösung, die Bohr mit der Komplementarität anbot, nichts anfangen könne. Trotz größter Anstrengungen, so behauptete Einstein, sei es ihm nicht gelungen, klar zu formulieren, was dieses Kunstwort bedeute. Worauf Bohr geantwortet haben soll, dass gerade Klarheit und Wahrheit typische Beispiele für komplementäre Begriffe seien.
    Die Debatte zwischen Einstein und Bohr gelangte 1949 zu ihrem Ende; die beiden lieferten danach keine direkten Beiträge mehr. Zumindest Bohr dachte aber bis an sein Lebensende über diese Fragen nach. Die letzte Skizze, die Bohr am Vorabend seines Todes auf die Tafel seines Studierzimmers zeichnete, stellte das mit Einstein diskutierte Photon im Kasten dar.
    Warum war diese Diskussion nun so bedeutend, und warum ist sie im Grunde immer noch nicht entschieden? Man kann darauf zwei Antworten geben. Einmal ist zu beachten, dass Bohrs Antwort unserer Anschauung in jeder Hinsicht widerspricht. Wenn sie richtig ist, taucht die Frage auf, wieso es Menschen möglich ist, die als Quantenmechanik bezeichnete Fassung der Wahrheit zu finden. Wieso bleiben wir mit unserer Einsicht nicht auf das beschränkt, was wir mit unseren Sinnen kennengelernt haben? Wieso ist Quantenmechanik
denkbar? (Eine erste Diskussion zu diesen Fragen hat Max Delbrück am Ende seines Lebens vorgelegt, als er das Verhältnis von »Wahrheit und Wirklichkeit« so analysierte, wie es ein Naturwissenschaftler tun kann.)
    Die zweite Antwort zeigt sich dann, wenn man annimmt, dass das eigentliche Thema der Debatte nicht so sehr die durch eine physikalische Theorie ausgedrückte oder erfasste Wirklichkeit, sondern etwas Größeres ist – dass das zugrunde liegende Thema »Gott« genannt werden kann. So überraschend dies zunächst erscheint: Zumindest bei Einstein war so oft von Gott die Rede, wenn es um die Deutung der Physik ging, dass der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt einmal meinte, Einstein sei ein verkappter Theologe.
    Die statistische Deutung der Quantenmechanik, das Sich-abfinden der übrigen Physiker mit Wahrscheinlichkeiten lehnte Einstein ab, weil er der Meinung war, dass Gott nicht würfelt. In einem Brief vom 4. April 1949 ging Einstein ein letztes Mal auf die Frage nach der Wirklichkeit ein. Er bedankte sich für Bohrs Glückwünsche zum siebzigsten Geburtstag und schrieb: »Jedenfalls ist dies eine der Gelegenheiten, die nicht von der bangen Frage abhängt, ob Gott wirklich würfelt und ob wir an einer der physikalischen Beschreibung zugänglichen Realität festhalten oder nicht.« Seine Antwort fasste er sodann in einem alten Refrain zusammen: »Ueber diese Rede des Kandidaten Jobses / Allgemeines Schütteln des

Weitere Kostenlose Bücher