Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
Und auch nicht so ein Gewimmel von
kleinen Teichen und gewundenen Kanälen, wie man sie hier auf allen Seiten erblickt.
Überall stehen die prächtigsten Bäume und die lieblichsten Blumen, und das Wasser in den kleinen Kanälen ist dunkelgrün und
klar, so daß sich alles darin spiegelt. Und der Junge findet, daß das Ganze wie ein Paradiesist. Er schlägt die Hände zusammen und ruft aus: »Nie im Leben hab' ich etwas so Hübsches gesehen! Was für ein Garten ist
dies doch nur?«
Das ruft er ganz laut, und der Gärtner wendet sich sofort nach ihm um und sagt mit seiner barschen Stimme: »Dieser Garten
heißt Sörmland. Wer bist denn du, daß du das nicht einmal weißt? Er hat immer für einen der besten Gärten im Lande gegolten.«
Dem Jungen wird ja ein wenig sonderlich zumute bei der Antwort, aber er hat so viel damit zu tun, sich gründlich umzusehen,
daß er gar keine Zeit hat, darüber nachzudenken, was das bedeutet. So schön es ist mit allen den vielen Blumen und den Bächen,
die sich dazwischen hindurchschlängeln, so ist da doch noch etwas Ergötzlicheres, nämlich alle die kleinen Lusthäuser und
Puppenhäuser, mit denen der Garten angefüllt ist. Sie liegen überall, am meisten aber am Ufer der kleinen Teiche und Kanäle.
Es sind keine richtigen Häuser. Sie sind so klein, als seien sie für Leute gebaut, die nicht größer sind als er, aber sie
sind alle außerordentlich fein und niedlich. Da sind alle möglichen Arten: einige sehen aus wie Schlösser mit Türmen und Flügeln,
andere wie Kirchen, und wieder andere wie Mühlen oder Bauerhäuser.
Sie sind so allerliebst, daß der Junge am liebsten stehen geblieben wäre, um sich jedes einzelne genauer anzusehen, aber er
wagt nichts weiter zu tun, als dem Gärtner auf den Fersen zu folgen. Bald aber kommen sie an ein Gutshaus, das größer und
schöner ist als irgend eins der anderen, an denen sie vorbeigekommen sind. Es ist dreistöckig mit einem Portal und vorspringenden
Flügeln.Es liegt auf einem Hügel mitten zwischen Blumenanlagen, und der Weg dahin führt über einen Kanal nach dem anderen auf kleinen,
zierlichen Brücken.
Der Junge wagt nicht vom Wege abzuweichen, aber als er an diesem allen vorübergehen muß, seufzt er so tief, daß der strenge
Mann es hört und stehen bleibt. »Dies Haus da nenne ich Eriksberg,« sagt er. »Willst du da hinein, so magst du es meinetwegen
gern tun, hüte dich aber vor der Pintorpa-Frau!«
Das läßt sich Niels nicht zweimal sagen. Er läuft die Allee hinab, über die kleinen Brücken, durch den Blumengarten hinauf
und in das Tor hinein. Das Ganze scheint für so einen wie er zugeschnitten zu sein. Die Treppenstufen haben die passende Höhe,
und er kann jedes Schloß erreichen. Nie hätte er sich aber träumen lassen, daß er so viel Schönes zu sehen bekäme. Die Fußböden
sind aus Eichenholz und schimmern, gebohnert und blank. Die Decken sind gegipst und voll von gemalten Bildern. An den Wänden
hängt ein Gemälde neben dem anderen. Die Möbel sind mit Seide überzogen, und das Holzwerk daran ist vergoldet. Er sieht Zimmer,
dessen Wände ganz mit Büchern bedeckt sind, und er sieht Zimmer, in denen Tische und Schränke mit Kostbarkeiten angefüllt
sind.
Wie sehr er sich auch beeilt, hat er doch noch nicht die Hälfte des Hauses besehen, als der Gärtner ihn ruft, und als er wieder
hinauskommt, steht der Alte da und kaut vor Ungeduld auf seinem Knebelbart.
»Nun, wie ging es?« fragt der Gärtner. »Hast du die Pintorpa-Frau gesehen?«
Aber der Junge hat kein lebendes Wesen gesehen, undals er das sagt, verzerrt sich das Gesicht des Gärtners. »Hat die Pintorpa-Frau Ruhe gefunden und ich nicht?« sagt er, und
der Junge hat nie eine Vorstellung davon gehabt, daß so viel Verzweiflung in einer Menschenstimme beben kann.
Dann geht der Gärtner wieder mit langen Schritten voran, und der Junge läuft hinterdrein und bemüht sich, soviel wie möglich
von allen den merkwürdigen Dingen zu sehen. Sie gehen um einen Teich herum, der ein wenig größer ist als die anderen. Lange,
weiße Pavillons, die Herrenhäusern gleichen, gucken überall aus dem Buschwerk und die Blumengruppen hervor. Der Gärtner bleibt
nicht stehen, sondern wirft dem Jungen in der Eile von Zeit zu Zeit ein Wort hin. »Den Teich nenne ich Yngaran. Hier siehst
du Danbyholm. Hier ist Hagbyberga. Hier ist Hovsta. Hier ist Återö.«
Bald darauf gelangt der Gärtner mit ein paar
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