Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
Vom Netzwerk:
gefunden und ich nicht?«
    Bald darauf kommen sie in das größeste von den vielen Puppenhäusern. Es ist eine grundgemauerte Burg mit drei festen, runden
     Türmen, die durch lange Flügel verbunden sind.
    »Wenn du Lust hast, kannst du gern hineingehen und dich umsehen!« sagt der Gärtner. »Das ist Gripsholm, und hier mußt du dich
     in acht nehmen, daß du nicht König Erik begegnest.«
    Der Junge geht durch eine tiefe Torwölbung und kommt auf einen großen, dreieckigen Hof, der von kleinen Häusern umgeben ist.
     Sie sind nicht gerade ansehnlich, und der Junge macht sich nichts daraus, dahinein zu gehen. Er springt nur ein paarmal Bock
     über zwei lange Kanonen, die da stehen, und läuft dann weiter. Durch eine zweite tiefe Torwölbung gelangt er auf einen Burghof,
     der von prächtigen Gebäuden umgeben ist und dahinein geht er. Er kommt in große, altmodische Zimmermit Querbalken an der Decke; alle Wände sind mit hohen, dunklen Gemälden bedeckt, auf denen ernste Damen und Herren in wunderlichen,
     steifen Trachten abgebildet sind.
    In dem Stockwerk darüber sind die Zimmer heller und freundlicher. Jetzt kann er erst merken, daß er in einem königlichen Schloß
     ist, denn an den Wänden sieht er nichts als strahlende Porträts von Königen und Königinnen. Im obersten Stockwerk aber ist
     ein großer Boden, und um den herum liegen viele verschiedene Zimmer. Es sind helle Räume mit hübschen, weißen Möbeln, und
     da ist ein kleines Theater und dicht daneben ein richtiges Gefängnis: ein Raum mit kahlen steinernen Wänden und vergitterten
     Fenstern und einem Fußboden, der von den schweren Schritten der Gefangenen abgenutzt ist.
    Da ist so viel zu sehen, daß der Junge gern viele Tage dageblieben wäre, aber der Gärtner ruft nach ihm, und er wagt nicht,
     ungehorsam zu sein.
    »Hast du König Erik gesehen?« fragt der Alte, als der Junge wieder herauskommt. Aber der Junge hat nichts gesehen, und da
     sagt der Gärtner so wie vorhin, aber in noch tieferer Verzweiflung: »Hat König Erik Ruhe gefunden und ich nicht?«
    Dann gehen sie in den östlichen Teil des Gartens. Sie kommen an einem Badehaus vorüber, das der Gärtner Södertelje nennt,
     und an einem alten Schloß, das er Hörningsholm nennt. Hier ist übrigens nicht so viel zu sehen. Es wimmelt hier von Felsen
     und Klippen, die immer öder und kahler werden, je weiter hinaus sie liegen.
    Jetzt biegen sie nach Süden ab, und der Junge erkenntdie Hecke, die Kolmård heißt, und er kann sehen, daß sie sich dem Ausgang nähern.
    Er freut sich, daß er das alles gesehen hat, und als er in der Nähe der großen Gitterpforte angelangt ist, will er dem Gärtner
     gern danken. Aber der Alte hört gar nicht auf das, was er sagt, sondern geht geradeswegs auf die Pforte zu. Da wendet er sich
     nach dem Jungen um und reicht ihm seinen Spaten. »Halte mir den, während ich die Pforte aufschließe.«
    Aber dem Jungen tut es leid, daß er dem barschen, alten Mann so viel Mühe gemacht hat und er will ihm weitere Ungelegenheit
     ersparen. »Ihr braucht die schwere Pforte meinetwegen gar nicht aufzuschließen,« sagt er, und im selben Augenblick schlüpft
     er zwischen den eisernen Stangen hindurch. Das ist die leichteste Sache von der Welt für ihn.
    Er tut das in der allerbesten Absicht, und er ist sehr verwundert, als er den Gärtner hinter seinem Rücken einen Zornesruf
     ausstoßen hört und steht, wie er mit den Füßen stampft und an dem eisernen Gitter rüttelt.
    »Was ist das? Was ist das?« fragt der Junge. »Ich wollte Euch ja nur die Mühe ersparen. Warum seid Ihr so böse?«
    »Sollte ich nicht böse sein!« erwidert der Alte. »Es bedürfte nichts weiter, als daß du den Spaten nahmst, dann hättest du
     hier umhergehen und den Garten pflegen müssen, und ich wäre abgelöst gewesen. Jetzt weiß ich nicht, wie lange ich hier noch
     umhergehen muß.«
    Und dabei rüttelt er an dem Gitter und sieht entsetzlichzornig aus, aber der Knabe kann nicht anders, er muß ihn bemitleiden, und er versucht, ihn zu trösten.
    »Ihr müßt nicht so betrübt darüber sein, Herr Karl von Södermanland,« sagte er, »denn niemand würde Euren Garten so gut pflegen,
     wie Ihr es tut.«
    Als der Junge das sagt, wird der alte Gärtner ganz still und stumm, und es ist dem Jungen, als gehe ein Leuchten über seine
     harten Züge. Aber er kann es nicht deutlich sehen, denn im selben Augenblick verblaßt die ganze Gestalt und schwindet wie
     ein Nebel. Und nicht er allein,

Weitere Kostenlose Bücher