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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Sonntag heute,« dachte der Junge und saß da und sah auf die Kirchgänger hinab. An einigen Stellen sah er ein
     Brautpaar, das mit großem Gefolge zur Kirche fuhr, und an einer anderen Stelle kam ein Leichenzug langsam den Weg entlang
     gefahren. Er sah große herrschaftliche Kutschen und kleine Bauernkarren, und er sah Boote draußen auf dem See, alle auf dem
     Wege zur Kirche.
    Der Junge flog über die Björkviker Kirche und über Bettna und Blacksta und Vådsbro und darauf auf Sköldinge und Floda zu.
     Überall hörte er die Glocken läuten. Es klang wirklich wunderschön oben in der Luft. Es war, als sei die ganze klare Luft
     zu Klängen und Tönen geworden.
    »Eins ist wenigstens sicher,« sagte der Junge, »daß überall hier im Lande, wohin ich komme, stets Kirchen mit läutenden Glocken
     sein werden.« Und es überkam ihn ein Gefühl der Geborgenheit bei dem Gedanken, denn obwohl er nun in einer andern Welt lebte,
     war es doch, als könne er sich nicht ganz verirren, so lange die tiefen Stimmen der Kirchenglocken ihn zurückzurufen vermochten.
    Sie waren eine gute Strecke über Sörmland landeinwärts geflogen, als der Junge einen dunklen Fleck gewahrte,der sich unter ihnen auf der Erde bewegte. Zuerst glaubte er, es sei ein Hund, und er hätte Wohl nicht weiter darauf geachtet,
     wenn er nicht bemerkt hätte, daß er sich bemühte, denselben Kurs zu halten wie sie. Er stürzte dahin über das offene Land
     und durch die kleinen Wälder, sprang über Gräben, setzte über Hecken und ließ sich durch nichts zurückhalten.
    »Es scheint fest, als wenn Reineke Fuchs wieder sein Spiel treibt,« sagte der Junge, »aber wir werden ihm schon entkommen.«
    Gleich darauf steigerten die Wildgänse ihren Flug zu der stärksten Schnelligkeit, zu der sie überhaupt imstande waren, und
     hielten damit an, solange der Fuchs sichtbar war. Als er sie nicht mehr sehen konnte, machten sie Kehrt und flogen in einem
     großen Bogen gen Westen und Süden, fast, als sei es ihre Absicht, wieder nach Ostgotland zurückzufliegen. »Es ist doch wohl
     Reineke gewesen!« deichte der Junge, »da Akka so abbiegt und einen anderen Weg einschlägt.«
    Am Abend dieses Tages flogen die Wildgänse über einem alten sörmländischen Gut, das Store Djulö heißt. Das große, weiße Schloß
     lag da, mit einem Park aus Laubbäumen hinter sich und dem Store Djulösee mit seinen vorspringenden Langzungen und hügeligen
     Ufern vor sich. Es sah altmodisch und traulich aus, und dem Jungen wurde ganz schwer ums Herz, als sie über den Hof flogen
     und er daran dachte, wie es sein würde, nach beendeter Tagesreise auf so einen Hof zu kommen, statt in einem seichten Moor
     oder auf einer kalten Eisfläche abgesetzt zu werden.
    Aber davon konnte natürlich keine Rede sein. Die Wildgänse ließen sich dahingegen ein Stück nördlich von dem Schloß auf einer
     Waldwiese nieder, die so von Wasser überschwemmt war, daß nur hier und da einige Grasbüschel hervorragten. Es war dies so
     ungefähr das elendste Nachtlager, das der Junge auf der ganzen Reise gehabt hatte.
    Er blieb auf dem Rücken der Gans sitzen und wußte nicht recht, wie er sich einrichten sollte. Dann begann er von einem Grasbüschel
     auf den anderen zu hüpfen, in langen Sprüngen, bis er festen Grund unter den Füßen hatte, und dann lief er schnell nach der
     Seite, wo das alte Schloß lag.
    Nun traf es sich so, daß in einem Hause, das zu Store Djulö gehörte, gerade an diesem Abend einige Menschen um den Feuerherd
     beisammen saßen und plauderten. Sie hatten über die Predigt gesprochen und über die Frühjahrsbestellung und das Wetter, und
     als der Unterhaltungsstoff auszugehen drohte, baten sie eine alte Frau, die Mutter des Häuslers, ihnen Gespenstergeschichten
     zu erzählen.
    Nun ist es eine bekannte Sache, daß es nirgends in Schweden einen solchen Reichtum an Schlössern und an Gespenstergeschichten
     gibt wie in Sörmland. Die Alte hatte in ihrer Jugend auf vielen großen Gütern gedient, und sie wußte Bescheid von so mancherlei
     wunderlichen Dingen, daß sie bis an den lichten Morgen hätte erzählen können. Sie erzählte so gut und so glaubwürdig, daß
     ihre Zuhörer nahe daran waren, es alles zu glauben. Sie zuckten förmlich zusammen, als die Alte ein paarmalin ihrer Erzählung inne hielt und fragte, ob sie nichts pußeln hörten. »Könnt ihr denn nicht hören, daß hier etwas herumschleicht?«
     sagte sie. Aber die anderen konnten nichts hören.
    Als die

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