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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Däumling! Ich habe zu
     dem Kobold geschickt, der dich verhext hat. Anfangs wollte er nichts davon hören, dir zu helfen, aber ich habe ihm einen Boten
     nach dem andern geschickt und ihn wissen lassen, wie gut du dich bei uns aufgeführt hast. Er läßt dich jetzt grüßen und dir
     sagen, daß du, sobald du nach Hause zurückkehrst, wieder ein Mensch werden wirst.«
    Aber so sehr sich der Junge gefreut hatte, als die wilde Gans zu reden anhub, so betrübt war er, als sie geendet hatte. Er
     sagte kein Wort, sondern wandte sich ab und weinte.
    »Was in aller Welt ist denn das?« sagte Akka. »Es scheint ja, als hättest du dir mehr gewünscht, als ich dir eben angeboten
     habe.«
    Aber der Junge dachte an sorgenfreie Tage und muntere Kurzweil, an Abenteuer und Freiheit und Reisen hoch oben über der Erde;
     das alles sollte ihm jetzt entgehen! Er weinte geradezu vor Kummer. »Ich mache mir nichts daraus, Mensch zu werden.« sagteer. »Ich will mit euch hinauf nach Lappland.« – »Jetzt will ich dir etwas sagen,« entgegnete Akka: »Der Kobold ist leicht
     beleidigt, und ich fürchte, wenn du sein Anerbieten jetzt nicht annimmst, wird es dir nicht leicht werden, ein zweites Mal
     Zutritt zu ihm zu erlangen.«
    Es war sonderbar mit dem Jungen – sein ganzes Leben lang hatte er sich niemals etwas aus jemand gemacht. Er hatte sich nichts
     aus Vater und Mutter gemacht, nichts aus seinem Lehrer, nichts aus seinen Schulkameraden, nichts aus den Jungen auf den Nachbarhöfen.
     Und alles, wozu sie ihn veranlassen wollten, sei es Spiel oder Arbeit, hatte er langweilig gefunden. Deswegen entbehrte er
     jetzt niemand, sehnte sich nach niemand.
    Die einzigen, mit denen er sich jemals hatte vertragen können, waren das Gänsemädchen Aase und der kleine Mads, ein paar Kinder,
     die Gänse auf dem Felde hüteten, so wie er. Aber auch sie hatte er nicht von Herzen lieb. Nein, eigentlich gar nicht.
    »Ich will kein Mensch sein!« heulte der Junge. »Ich will mit euch nach Lappland. Darum bin ich eine ganze Woche artig gewesen.«
     – »Ich will dir nicht verweigern, mit uns zu kommen, so weit du willst,« sagte Akka. »Bedenke aber doch erst, ob du nicht
     lieber wieder nach Hause zurückkehren willst! Es könnte doch ein Tag kommen, an dem du es bereuen würdest.«
    »Nein,« sagte der Junge, »da ist nichts zu bereuen. Ich habe mich nie so wohl gefühlt wie bei euch.«
    »Ja, dann mag es so sein, wie du willst,« sagte Akka.
    »Hab' Dank!« entgegnete der Junge und fühlte sich so glücklich, daß er vor Freuden weinen mußte, so wie er vorhin vor Kummer
     geweint hatte.

IV. Glimminghaus
Schwarze Ratten und graue Ratten.
    Im südöstlichen Schonen, nicht weit vom Meer, liegt eine alte Burg, die Glimminghaus heißt. Sie besteht aus einem einzigen
     hohen, großen und starken Sandsteingebäude, das meilenweit über die Ebene hin sichtbar ist. Sie ist nicht mehr als vier Stockwerk
     hoch, aber doch so gewaltig, daß ein gewöhnliches Haus, das daneben liegt, sich wie ein Puppenhaus ausnimmt.
    Das große Gebäude hat so dicke Außenmauern und Zwischenwände und Wölbungen, daß in seinem Innern kaum Platz für etwas anderes
     ist als für die dicken Mauern. Die Treppen sind eng, die Gänge schmal und die Zimmer wenig an Zahl. Um die Mauern nicht ihrer
     Stärke zu berauben, sind in den oberen Stockwerken nur sehr wenig Fenster angebracht, und in dem untersten überhaupt keine.
     In den alten kriegerischen Zeiten waren die Leute ebenso froh, wenn sie sich in so ein starkes und mächtiges Haus einschließen
     konnten, wie wir es jetzt sind, wenn wir bei beißendem Frost in einen warmen Pelz kriechen können; als aber die gute Friedenszeit
     kam, wollten sie nicht mehr in den dunklen und kalten Steinsälen der alten Burgwohnen. Sie haben längst das große Glimminghaus verlassen und sind in Wohnungen gezogen, die so eingerichtet sind, daß Licht
     und Luft hineindringen können.
    Zu der Zeit, als Niels Holgersen mit den wilden Gänsen herumreiste, wohnten also keine Menschen in Glimminghaus, aber deswegen
     fehlte es doch nicht an Bewohnern. Auf dem Dach wohnte jeden Sommer ein Storchenpaar in einem großen Nest, auf dem Boden lebten
     ein paar Horneulen, in den geheimen Gängen hingen Fledermäuse, auf dem Herd in der Küche hatte sich eine alte Katze häuslich
     niedergelassen, und unten im Keller hielten sich einige Hunderte von den alten schwarzen Ratten auf.
    Ratten sind ja sonst nicht gerade sehr angesehen bei den andern

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