Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
Vom Netzwerk:
in dem Buchenwälder sind
     und Nußhaine und Waldwiesen und Eichenhaine und Tannenschonungen und ein Tiergarten voll von Rehen, wau, wau, wau? Nennt ihr
     das eine Hütte? Habt ihr jemals Hütten gesehen, die so viele Wirtschaftsgebäude rings umher haben, daß es aussieht wie ein
     ganzes Dorf? Kennt ihr viele Hütten, die eine eigene Kirche haben und einen Pfarrhof, und die über Rittergüter und Bauernhöfe
     und Pachterhöfe und Häuslereien gebieten? Wau, wau, wau! Nennt ihr das eine Hütte? Zu dieser Hütte gehört das größte Gut in
     Schonen, ihr Lumpengesindel. Da, wo ihr in den Wolken hängt, könnt ihr kein Fleckchen Erde sehen, das nicht unter dieser Hütte
     steht. Wau, wau, wau!«
    Dies alles rief der Hund in einem Atemzug, und die Gänse flogen über dem Schloß hin und her und hörten ihm zu, bis er gezwungen war, Atem zu schöpfen.Dann aber schrien sie: »Warum ereiferst du dich so? Wir fragten ja gar nicht nach dem Schloß, wir fragten nur nach deinem
     Hundehaus.«
    Als der Junge diese Späße hörte, lachte er anfänglich, dann aber ergriff ihn ein Gedanke, der ihn plötzlich ernsthaft machte:
     »Denk doch, wieviel Kurzweiliges würdest du zu hören bekommen, wenn du mit den Gänsen durch das ganze Land fliegen dürftest,
     bis hinauf nach Lappland,« sagte er zu sich selbst. »Wenn du doch in das Unglück geraten bist, so wäre eine solche Reise das
     beste, was dir widerfahren könnte.«
    Die wilden Gänse flogen auf eins der großen Felder östlich von dem Schloß, um Graswurzeln zu fressen, und damit beschäftigten
     sie sich stundenlang. Währenddessen ging der Junge in den großen Park hinein, der an das Feld stieß und guckte in die Büsche
     hinauf, um zu sehen, ob da nicht ein paar Nüsse vom Herbst her hängengeblieben sein sollten. Aber wie er da so im Park umherging,
     kehrte immer wieder derselbe Gedanke zu ihm zurück. Er malte sich aus, wie lustig es sein würde, wenn er mit den wilden Gänsen
     fliegen könnte. Hungern und frieren würde er wohl manch liebes Mal, aber dafür brauchte er dann ja auch nicht zu arbeiten
     und zu lernen.
    Als er dort ging, kam die alte, graue Führergans auf ihn zu und fragte, ob er genug zu essen gefunden habe. Nein, sagte er,
     er hätte nichts gefunden. Da suchte sie ihm zu helfen. Nüsse konnte sie auch nicht finden, aber sie entdeckte ein paar Hagebutten,
     die an einem wilden Rosenbusch hingen. Der Junge verzehrtesie mit gutem Appetit, konnte aber nicht umhin, zu denken, was seine Mutter sagen würde, wenn sie wüßte, daß er jetzt von
     rohem Fisch und von alten überjährigen Hagebutten lebte.
    Als sich die wilden Gänse endlich satt gegessen hatten, zogen sie wieder an den See hinab und belustigten sich bis gegen Mittag
     mit Spielen. Sie forderten den weißen Gänserich auf allen möglichen Sportgebieten zum Wettstreit auf. Sie schwammen um die
     Wette, liefen um die Wette und flogen um die Wette mit ihm. Der große Zahme tat sein Bestes, wurde aber stets von den flinken
     wilden Gänsen geschlagen.
    Der Junge saß während der ganzen Zeit auf dem Rücken des Gänserichs und ermunterte ihn und amüsierte sich ebensogut wie die
     andern. Das war ein Schreien und ein Gackern und ein Lachen, und es war wirklich unbegreiflich, daß die Leute im Schloß es
     nicht hörten.
    Als die wilden Gänse des Spielens überdrüssig waren, flogen sie auf das Eis hinaus, um ein paar Stunden zu ruhen. Den Nachmittag
     verbrachten sie ungefähr auf dieselbe Weise wie den Vormittag. Zuerst ein paar Stunden Grasen, dann Baden und Spielen im Wasser
     am Rande des Eises bis Sonnenuntergang, worauf sie sich gleich zum Schlafen hinsetzten.
    »Das wäre gerade so ein Leben, wie es mir passen würde,« dachte der Junge, als er unter den Flügel der Gans kroch. »Aber morgen
     werde ich gewiß nach Hause geschickt.«
    Ehe er einschlief, lag er da und dachte darüber nach,daß, wenn er Erlaubnis erhielt, mit den Wildgänsen zu reisen, er um die Schelte hinwegkam, weil er so faul war. Dann konnte
     er sich den ganzen Tag umhertreiben und hatte keine andern Sorgen, als, wie er sich etwas zu essen beschaffte. Aber er hatte
     für den Augenblick ja nur so wenig nötig, damit würde er schon fertig werden.
    Und dann malte er sich alles aus, was er zu sehen bekommen würde, und die vielen Abenteuer, die er erleben sollte. Ja, das
     war etwas anderes, als all die Arbeit und Mühe daheim. »Dürfte ich nur die wilden Gänse auf ihrer Reise begleiten, so wollte
     ich mich

Weitere Kostenlose Bücher