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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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hinausgewagt.
    Wie nun die Stadt so verlassen dalag, kamen die wilde Gans Akka und ihre Schar über die Vämmö und den Pantorholm auf Karlskrona
     zugeflogen. Sie waren in der späten Abendstunde darauf aus, einen sichern Schlafplatz in den Schären zu suchen. Sie konnten
     nicht an Land bleiben, weil Reineke Fuchs sie störte, wo sie sich auch niederließen.
    Als nun der Junge hoch oben in der Luft dahergeritten kam und das Meer und die Schären sah, die sich vor ihm ausbreiteten,
     fand er, daß alles so wunderlich und gespensterhaft aussah. Der Himmel war nicht mehr blau, er wölbte sich über ihm wie eine
     Kuppel aus grünem Glas. Das Meer lag milchweiß. So weit er sehen konnte, kamen kleine, weiße Wellen mit Silberglanz auf dem
     Kamm dahergerollt. Mitten in all dem Weiß lagen die vielfachen Schäreninseln ganz kohlschwarz. Mochten sie groß sein oder
     klein, mochten sieflach sein wie Wiesen oder voll von Klippen, sie waren gleich schwarz. Ja, selbst Häuser und Kirchen und Windmühlen, die
     sonst weiß oder rot sind, heben sich schwarz gegen den grünen Himmel ab. Der Junge fand, es war so, als sei die Erde unter
     ihm vertauscht, als sei er in eine andere Welt gekommen.
    Er sagte zu sich selbst, heute nacht wolle er tapfer aushalten und nicht bange sein, aber dann erblickte er sogleich etwas,
     das ihm einen großen Schrecken einjagte. Es war eine hohe Felseninsel, die mit großen, eckigen Steinblöcken bedeckt war, und
     zwischen den schwarzen Steinblöcken glitzerten Punkte von klarem, schimmerndem Gold. Er konnte es nicht lassen, an den Maglestein
     bei Trolle-Ljungby zu denken, den die Kobolde einstmals auf hohen goldenen Säulen errichtet hatten, und er dachte, daß dies
     vielleicht etwas von derselben Art sei.
    Aber das mit den Steinen und dem Gold hätte noch angehen können, wenn da nur nicht so viel Teufelkram rings um die Insel herum
     im Wasser gelegen hätte. Das sah aus wie Walfische und Haie und andere große Meerestiere, aber der Junge wußte ja sehr wohl,
     daß es Wassergeister waren, die sich um die Insel geschart hatten und nun da hinaufklettern und mit den Landgeistern kämpfen
     wollten, die dort wohnten. Und die da oben an Land waren gewiß bange, denn er konnte einen großen Riesen oben auf der Spitze
     der Insel stehen und, wie in Verzweiflung über all das Unglück, das über ihn und die Insel kommen würde, die Arme ausstrecken
     sehen.
    Der Junge war nicht wenig erschrocken, als er merkte, daß Akka den Flug abwärts nahm, sobald sie über der Insel waren. »Huh!
     Wir wollen uns doch nicht dort niederlassen!« sagte er.
    Aber die Gänse schwebten ruhig abwärts, und bald mußte der Junge staunen, daß er sich so geirrt hatte. Denn erstens waren
     die großen Steinblöcke nichts weiter als Häuser. Die ganze Insel war eine Stadt, und die schimmernden goldenen Punkte waren
     Laternen und Reihen von erleuchteten Fenstern. Der Riese, der oben auf der Spitze der Insel stand und die Arme in die Höhe
     streckte, war eine Kirche mit zwei viereckigen Türmen, und alle die Meeresgeister und Ungeheuer, die er zu sehen geglaubt,
     waren Boote und Schiffe jeglicher Art, die rings um die Insel vertäut lagen. Auf der Seite, die dem Lande zunächst lag, waren
     die meisten Ruderboote und Segelboote und kleinen Küstendampfer, aber auf der Seite nach dem Meere zu lagen gepanzerte Kriegsschiffe,
     einige breit, mit mächtig dicken, hintenüberliegenden Schornsteinen, andere lang und schmal und so gebildet, daß sie wie Fische
     durchs Wasser gleiten mußten.
    Was für eine Stadt konnte dies nur einmal sein? Ja, der Junge ward sich klar darüber, sobald er die vielen Kriegsschiffe sah.
     Er hatte Schiffe geliebt, seit er klein war, obwohl er mit keinen anderen zu schaffen gehabt, als mit den Fahrzeugen, die
     er zum Segeln in den Gräben ausgesetzt hatte. Es unterlag keinem Zweifel, daß die Stadt, wo so viele Kriegsschiffe lagen,
     keine andere als Karlskrona sein konnte.
    Der Junge hatte einen alten Großvater mütterlicherseits gehabt, der in der Marine gedient und so lange er lebte, jeden Tag
     von Karlskrona erzählt hatte, von der großen Marinewerft und von all dem andern, das in dieser Stadt zu sehen war. Hier fühlte
     sich der Junge ganz wie zu Hause, und er freute sich, daß er nun all das zu sehen bekam, wovon er so viel hatte reden hören.
    Aber er bekam nicht mehr als einen Schimmer von den Türmen und Festungswerken, die die Einfahrt des Hafens sperrten, und von
     den vielen

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