Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
Vom Netzwerk:
der Junge,
     der zufällig hinabsah, glaubte, das Wasser sei verschwunden. Es war keine Erde mehr unter ihm. Er hatte nichts als Wolken
     und Himmel um sich. Es schwindelte ihn, und er klammerte sich ängstlicher an den Gänserücken an, als da er zum erstenmal dort
     saß. Es war, als könne er unmöglich dort sitzen bleiben, als müsse er nach der einen oder der andern Seite herunterfallen.
    Noch schlimmer wurde es, als sie die großen Vogelzügetrafen, von denen die graue Gans geredet hatte. Es kam wirklich eine Schar nach der andern ganz in derselben Richtung. Sie
     folgten gleichsam einem abgesteckten Weg. Da waren wilde Enten und graue Gänse, Sammetenten und Lummen, Eisenten, Fischenten
     und Krickenten, Haubentaucher und Strandläufer. Als sich nun aber der Junge vornüberbeugte und nach der Richtung hinsah, wo
     das Meer liegen sollte, sah er den ganzen Vogelzug sich im Wasser widerspiegeln. Aber er war so umnebelt, daß er nicht begreifen
     konnte, wie das zuging; es schien ihm, als fliege die ganze Vogelschar mit dem Bauch nach oben. Er wunderte sich jedoch nicht
     so sehr hierüber, denn er wußte selber nicht, was oben und was unten war.
    Die Vögel waren ermattet und ungeduldig, über das Wasser zu gelangen. Keiner von ihnen schrie oder sagte ein vergnügliches
     Wort, und das bewirkte, daß alles gleichsam so sonderbar unwirklich war.
    »Wenn wir nun von der Erde weggeflogen sind!« sagte er zu sich selbst. »Wenn wir uns nun auf dem Wege nach dem Himmel hinauf
     befinden!«
    Er sah nichts als Wolken und Vögel nach allen Seiten und allmählich fand er es ganz natürlich, daß sie nach dem Himmel hinaufflogen.
     Er freute sich und beschäftigte sich mit dem Gedanken, was er wohl da oben zu sehen bekommen würde. Der Schwindel war auf
     einmal wie weggeblasen. Er war so froh bei dem Gedanken, daß er zum Himmel hinauffuhr und der Erde entrann.
    Im selben Augenblick hörte er ein paar Schüsseknallen und sah ein paar kleine, weiße Rauchsäulen aufsteigen.
    Bewegung und Angst breitete sich unter den Vögeln aus: »Jäger! Jäger! Jäger in Booten!« riefen sie. »Fliegt hoch! Fliegt fort
     von ihnen!«
    Da sah denn der Junge endlich, daß sie noch immer über der Meeresfläche flogen und keineswegs im Himmel waren. Auf dem Wasser
     lag eine lange Reihe kleiner Boote voll von Jägern, die einen Schuß nach dem andern abfeuerten. Die ersten Vogelscharen hatten
     sie nicht rechtzeitig bemerkt. Sie waren zu niedrig geflogen. Mehrere dunkle Vogelkörper sanken auf das Meer hinab, und für
     jeden, der fiel, stießen die Überlebenden laute Klagerufe aus.
    Es war wunderlich für jemand, der eben noch geglaubt hatte, daß er im Himmel sei, zu einer solchen Not und Angst zu erwachen.
     Akka schoß in die Höhe, so schnell sie konnte, und dann flog die Schar mit der größtmöglichen Geschwindigkeit dahin. Die wilden
     Gänse entkamen auch unbeschädigt, aber der Junge konnte sich nicht von seiner Verwunderung erholen. Daß die Menschen es übers
     Herz bringen konnten, auf Wesen wie Akka und Yksi und Katsi und den Gänserich und die andern zu schießen! Die Menschen wußten
     wirklich nicht, was sie taten!
    Und dann zogen sie wieder weiter in der stillen Luft und alles war stumm wie zuvor, nur daß einige ermattete Vögel hin und
     wieder riefen: »Sind wir noch nicht bald da? Seid ihr auch sicher, daß wir den richtigen Kurs innehalten?« Hierauf antworteten
     diejenigen,die an der Spitze flogen: »Wir steuern gerade auf Öland zu, gerade auf Öland zu!«
    Die Stockenten waren müde, und die Lummen flogen an ihnen vorüber. »Beeilt euch nicht zu sehr!« riefen dann die Enten. »Ihr
     freßt uns alles Essen weg.« – »Da ist genug für euch und für uns,« antworteten die Lummen. Ehe sie noch so weit gekommen waren,
     daß sie Öland sehen konnten, bekamen sie ganz schwachen widrigen Wind. Der führte etwas mit sich, das gewaltigen Massen weißen
     Rauches glich, ganz so, als wenn irgendwo eine große Feuersbrunst sei.
    Als die Vögel die ersten weißen Rauchwirbel angetrieben kommen sahen, wurden sie ängstlich und mäßigten ihre Eile. Aber das,
     was Rauch glich, wurde dichter und schließlich hüllte es sie ganz ein. Es war kein Geruch zu spüren, und der Rauch war nicht
     dunkel und trocken, sondern weiß und feucht. Bald wurde es dem Jungen klar, daß es nichts weiter war als Nebel.
    Als der Nebel so dicht wurde, daß man nicht eine Gänselänge vor sich sehen konnte, benahmen sich die Vögel wie wilde,

Weitere Kostenlose Bücher