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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Schären näherten, hörten sie ein mächtiges Dröhnen,
     als wenn eine Menge flügelstarker Vögel dahergebraust käme, und das Wasser unter ihnen wurde auf einmal ganz schwarz. Akka
     hemmte ihren Flügelschlag so plötzlich, daß sie fast in der Luftstill stehen blieb. Dann schwebte sie nieder, um auf die Meeresfläche hinabzukommen. Aber ehe die Gänse noch das Wasser erreicht
     hatten, holte der Weststurm sie ein. Schon jagte er Staubwolken, Salzschaum und kleine Vögel vor sich her; jetzt riß er auch
     die wilden Gänse mit fort, kehrte sie um und um und trieb sie nach dem Meer hinaus.
    Es wurde ein unheimlicher Sturm. Wieder und wieder versuchten die wilden Gänse umzukehren, aber sie hatten keine Kraft dazu,
     sie wurden nach der Ostsee hinaus getrieben. Der Sturm hatte sie schon über Öland hingejagt, und nun lag das große, leere
     Meer vor ihnen. Da war nichts Weiteres zu tun als vor dem Wind zu lenzen, so gut sie konnten.
    Als Akka merkte, daß sie nicht imstande waren, umzukehren, hielt sie es für notwendig, sich von dem Sturm über die ganze Ostsee
     treiben zu lassen. Sie schwebte deswegen auf das Wasser hinab. Der Seegang war schon sehr heftig, und er nahm mit jedem Augenblick
     zu. Dunkelgrün, mit siedendem Schaum auf dem Kamm kamen die Wellen dahergerollt. Eine erhob sich noch höher als die andere,
     es war, als wetteiferten sie, wer am höchsten komme, wer am wildesten schäumen konnte. Aber vor dem Wellengang waren die wilden
     Gänse nicht bange. Der war ihnen im Gegenteil ein großes Vergnügen. Sie strengten sich nicht mit Schwimmen an, sondern ließen
     sich auf den Wellenrücken hinauf und in das Wellental hinabspülen und belustigten sich dabei so gut wie Kinder in einer Schaukel.
     Ihre einzige Furcht war, daß die Schar zersplittertwerden könne. Die armen Landvögel, die oben im Sturm vorbeitrieben, riefen neidisch: »Ja, ihr könnt wohl lachen, ihr könnt
     ja schwimmen!«
    Aber deswegen waren die wilden Gänse wahrlich nicht aller Gefahr überhoben. Erstens machte dies Schaukeln sie so unwiderstehlich
     schläfrig. Jeden Augenblick überkam sie das Verlangen, den Kopf nach hinten zu legen und den Schnabel unter den Flügel zu
     stecken und zu schlafen. Es ist aber nichts so gefährlich, als unter solchen Umständen einzuschlafen, und Akka rief unaufhörlich:
     »Schlaft nicht ein, ihr wilden Gänse! Wer einschläft, wird von der Schar getrennt. Wer von der Schar getrennt wird, ist verloren!«
    Trotz allen Bemühens zu widerstehen, schlief eine nach der andern ein, und selbst Mutter Akka war nicht weit davon entfernt,
     zu entschlummern, als sie plötzlich einen dunklen, runden Gegenstand sich aus dem Wasser emporheben sah. »Seehunde! Seehunde!
     Seehunde!« rief Mutter Akka mit starker und gellender Stimme und schwang sich mit klatschendem Flügelschlag in die Luft empor.
     Es war die höchste Zeit. Ehe die letzte wilde Gans dem Wasser entflohen war, hatten die Seehunde sich so weit genähert, daß
     sie nach ihren Füßen schnappten.
    Dann waren die wilden Gänse wieder oben im Sturm, der sie vor sich her auf das Meer hinaustrieb. Er gönnte weder sich noch
     ihnen Ruhe. Und kein Land sahen sie, nur, nur Meer.
    Sobald sie es wagen durften, ließen sie sich wieder auf das Wasser nieder. Aber als sie eine Weile aufden Wellen geschaukelt hatten, wurden sie wieder schläfrig. Und sobald sie einschliefen, kamen die Seehunde geschwommen.
     Wäre nicht die alte Akka so wachsam gewesen, so würde wohl kaum eine einzige von ihnen entkommen sein.
    Der Sturm tobte den ganzen Tag, und er hauste entsetzlich zwischen den Scharen von Möwen und Zugvögeln, die um diese Zeit
     des Jahres auf der Wanderschaft begriffen sind. Einige wurden aus ihrem Kurs nach fernen Ländern verschlagen, wo sie verhungern
     mußten, andere waren schließlich so ermattet, daß sie ins Meer sanken und ertranken. Viele zerschellten an den Felswänden,
     und viele wurden ein Raub der Seehunde.
    Den ganzen Tag währte der Sturm, und schließlich befiel Akka ein Zweifel, ob sie und ihre Schar wohl lebendig davonkommen
     würden. Sie waren todmüde, und nirgends erblickte sie einen Fleck, wo sie ruhen konnten. Gegen Abend wagte sie nicht mehr,
     sich auf dem Meer niederzulegen, weil dies jetzt auf einmal mit Eisschollen angefüllt war, die gegeneinander anprallten, und
     sie fürchtete, daß sie zwischen ihnen erdrückt werden könnten. Ein paarmal versuchten die wilden Gänse, sich auf die Eisschollen
     zu stellen.

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