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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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nicht so verlassen, wie man glauben sollte; er war von einem großen Krähenvolk bewohnt.
     Die Krähen wohnten natürlich nicht das ganze Jahr hindurch dort. Sie reisten im Winter ins Ausland, im Herbst flogen sie in
     ganz Götaland von einem Acker zum andern, und pickten Körner auf, im Sommer zerstreuten sie sich über die Gehöfte in der Sunnerboer
     Harde und lebten von Eiern, Beeren und jungen Vögeln, in jedem Frühling aber, wenn sie Nester bauen und Eier legen wollten,
     kehrten sie nach der Heide zurück.
    Die Krähe, die den alten Lappen aus dem Fenster zupfte, hieß Garm Weißfeder, wurde aber in der Familie nie anders genannt
     als Drumle oder gar Fumle-Drumle, weil sie zu nichts weiter taugte, als daß man sich lustig über sie machte. Fumle-Drumle
     war größer und stärker als irgendeine von den andern Krähen, aber das half ihr nicht im geringsten; sie war undblieb nur zum Gespött für die andern. Es nützte ihr auch nicht, daß sie aus ausgezeichneter Familie war. Wäre es mit rechten
     Dingen zugegangen, so hätte sie eigentlich der Anführer der ganzen Schar sein müssen, denn diese Würde war von alters her
     der Ältesten aus dem Geschlecht der Weißfeders zuerteilt gewesen. Lange jedoch ehe Fumle-Drumle geboren, war die Macht ihrer
     Familie entrissen und in die Hände einer wilden und grausamen Krähe namens Wind-Eile übergegangen.
    Dieser Herrscherwechsel kam daher, daß die Krähen auf dem Krähenbergrücken Lust bekommen hatten, ihre Lebensweise zu verändern.
     Es gibt sicher Leute, die glauben, daß alles, was Krähe heißt, auf gleiche Weise lebt, aber das ist ganz verkehrt. Es gibt
     ganze Krähenvölker, die ein rechtschaffenes Leben führen, das heißt, sie essen nur Frösche, Würmer und Larven und tote Tiere,
     aber dann gibt es auch andere, die ein vollständiges Räuberleben führen, junge Hasen und kleine Vögel überfallen und jedes
     Nest ausrauben, das sie nur erblicken.
    Die alten Weißfeders waren strenge und einfach gewesen, und solange sie die Schar anführten, hatten sie die Krähen gezwungen,
     sich so zu benehmen, daß andere Vögel ihnen nichts nachsagen konnten. Aber der Krähen waren viele, und die Armut unter ihnen
     war groß. Auf die Dauer konnten sie eine so strenge Lebensweise nicht ertragen, sondern empörten sich gegen die Weißfeders
     und ließen Wind-Eile zur Macht gelangen. Er war der schlimmste Nestplünderer und Räuber, den man sich nur denken konnte, es
     sei denn, daß seineFrau, Wind-Kaara, noch ärger war. Unter ihrem Regiment hatten die Krähen begonnen, ein solches Leben zu führen, daß sie jetzt
     gefürchteter waren als Habichte und Bergeulen.
    Fumle-Drumle hatte natürlich nichts in der Schar zu sagen. Alle waren sich darin einig, daß er nicht im geringsten nach seinen
     Vorfahren geartet sei und nicht als Anführer tauge. Niemand würde ihn beachtet haben, falls er nicht beständig neue Dummheiten
     gemacht hätte. Einige, die sehr klug waren, sagten zuweilen, es sei gewiß ein Glück für Fumle-Drumle, daß er so ein armer
     Narr war, denn sonst würden Wind-Eile und Wind-Kaara ihn, der dem alten Häuptlingsgeschlecht entstammte, wohl nicht bei der
     Schar geduldet haben.
    Jetzt waren sie dahingegen sehr freundlich gegen ihn und nahmen ihn gern mit auf ihre Jagden. Denn dann konnten alle sehen,
     wie viel tüchtiger und mutiger sie waren als er.
    Keine von den Krähen wußte, daß Fumle-Drumle den alten Lappen aus dem Fenster gezupft hatte, und hätten sie es gewußt, so
     würden sie grenzenlos erstaunt gewesen sein. Sie hätten ihm einen so großen Mut, sich einer Menschenwohnung zu nähern, nicht
     zugetraut. Er selbst würde sich schon hüten, die Sache zu verraten; dazu hatte er seine guten Gründe. Eile und Kaara behandelten
     ihn stets gut am Tage und wenn die andern zugegen waren, aber in einer sehr dunklen Nacht, als ihre Kameraden schon auf der
     Schlafstange saßen, wurde er von ein paar Krähen überfallen und fast zu Tode gehackt. Seit jener Zeit entfernte er sich jedenAbend, wenn es dunkel geworden war, von seinem gewöhnlichen Schlafplatz und nahm Zuflucht in dem leeren Hause.
    Nun geschah es eines Nachmittags, als die Krähen schon ihre Nester auf dem Krähenberge instand gesetzt hatten, daß sie einen
     merkwürdigen Fund machten. Wind-Eile, Fumle-Drumle und ein paar andere waren in eine große Vertiefung hinabgeflogen, die sich
     in einer Ecke der Heide befand. Die Vertiefung war nichts weiter als eine Kiesgrube, aber

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