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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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jagten, daß sie keinen Gedanken für den Jungen hatten. Er lief
     hinter ihnen drein, und der Gänserich, der am Strande liegen blieb, verlor ihn bald aus den Augen.
    Der Junge watete zwischen weißen Anemonen, die so hoch waren, daß sie ihm ganz bis an das Kinn reichten, als er gewahrte,
     daß jemand ihn von hinten packte und versuchte, ihn in die Höhe zu heben. Er wandte sich um und sah, daß eine Krähe ihre Krallen
     in seinen Hemdbund geschlagen hatte. Er suchte sich loszureißen, ehe ihm das aber gelungen war, kam noch eine Krähe hinzu,
     biß sich in einen seiner Strümpfe fest und riß ihn um.
    Hätte Niels Holgersen nun gleich um Hilfe gerufen, so würde der weiße Gänserich ihn sicher haben retten können, aber der Junge
     meinte wohl, daß er mit ein paar Krähen auf eigene Faust fertig werden könne. Er stieß mit den Füßen und schlug, aber die
     Krähen ließen ihn nicht los, und es gelang ihnen, sich mit ihmin die Luft emporzuschwingen. Sie waren aber so unvorsichtig dabei, daß sein Kopf gegen einen Zweig stieß. Er bekam einen
     harten Schlag gerade über den Schädel, es wurde ihm schwarz vor Augen, und er verlor das Bewußtsein.
    Als er die Augen wieder aufschlug, war er hoch oben über der Erde. Sein Bewußtsein kehrte langsam zurück, und anfangs wußte
     er weder, wo er war, noch was er sah. Wenn er den Blick hinabwandte, sah es so aus, als breite sich da tief unter ihm ein
     ungeheurer, wollener Teppich aus, der aus Grün und Braun in großen, unregelmäßigen Mustern gewebt war. Der Teppich war dick
     und schön, aber er fand, es war ein Jammer, daß man damit so schlecht hausgehalten hatte. Er war geradezu zerfetzt, lange
     Risse liefen quer darüber hin, und an einigen Stellen waren große Stücke davon abgerissen. Das Merkwürdigste aber war, daß
     es so aussah, als sei er über einen Spiegelfußboden gebreitet, denn durch die Löcher und die Risse im Teppich schimmerte blankes,
     glitzerndes Glas.
    Das Nächste, was dem Jungen auffiel, war, daß die Sonne nach dem Himmel hinaufgerollt kam. Sofort begann das Spiegelglas unter
     den Löchern und Rissen im Teppich in Rot und Gold zu schimmern. Es sah wunderschön aus, und der Junge freute sich über die
     schönen Farbentöne, obwohl er nicht recht verstehen konnte, was er eigentlich sah. Aber jetzt schwebten die Krähen hinab,
     und plötzlich wurde es ihm klar, daß der große Teppich unter ihm die Erde war, die mit grünem Nadelwald und braunem, kahlem
     Laubwaldbedeckt war, und daß die Löcher und Risse blitzende Fjorde und kleine Seen waren.
    Er mußte daran denken, daß er das erstemal, als er durch die Luft flog, gefunden hatte, das schonensche Land sähe aus wie
     ein gewürfeltes Tuch. Aber dies, das einem zerlumpten Teppich glich, was für ein Land konnte dies nur sein?
    Er fragte sich selbst nach einer Menge von Dingen. Warum saß er nicht auf dem Rücken des weißen Gänserichs? Warum umflatterte
     ihn ein großer Krähenschwarm? Und warum wurde an ihm gezerrt und gerissen, so daß seine Glieder fast aus den Gelenken gerieten?
    Plötzlich wurde ihm alles klar. Er war von ein paar Krähen entführt worden. Der weiße Gänserich lag noch am Strande und wartete,
     und die wilden Gänse wollten heute durch Ostgotland gen Norden ziehen. Er selbst wurde nach Südwesten getragen, das konnte
     er daran erkennen, daß er die Sonnenscheibe hinter sich hatte. Und der große Waldteppich, der unter ihm lag, das war sicher
     Smaaland.
    »Wie wird es nun dem weißen Gänserich ergehen, wenn ich nicht für ihn sorgen kann?« dachte der Junge und rief im selben Augenblick
     den Krähen zu, sie sollten ihn sofort zu den wilden Gänsen zurückbringen. Für seine eigene Person war er gar nicht bange.
     Er glaubte, sie hätten ihn aus reinem Übermut entführt.
    Die Krähen kehrten sich nicht im geringsten an sein Verlangen, sondern flogen weiter, so schnell sie nur konnten. Als sie
     eine Weile geflogen waren, klatschteeine von ihnen mit den Flügeln auf eine Weise, die bedeutete: »Gebt acht! Gefahr!« Gleich darauf tauchten sie in einen Tannenwald
     unter, drangen durch die dichten Zweige bis auf den Waldboden hinab und setzten den Jungen unter eine große Tanne, wo er so
     gut verborgen war, daß nicht einmal ein Falk ihn hätte erspähen können.
    Fünfzig Krähen bildeten einen Kreis um den Jungen, die Schnäbel auf ihn gerichtet, um ihn zu bewachen. »Nun, ihr Krähen, jetzt
     kann ich am Ende erfahren, was ihr mit meiner Entführung

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