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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Aber in diesem Augenblick war der Junge nicht ohne Verteidigungswaffe. Schnell
     strich er ein Streichholz an, hielt es an die Hede und warf die auf Reineke herab. Als der Fuchs das Feuer über sich bekam,
     ergriff ihn eine wahnsinnige Angst. Er vergaß den Jungen und stürzte ganz von Sinnen aus der Hütte heraus.
    Aber es sah fast so aus, als sei der Junge nur einer Gefahr entronnen, um sich in eine noch größere zu stürzen. Von dem Büschel
     Hede, das er Reineke auf den Kopf geworfen hatte, griff das Feuer nach dem Bettvorhang hinüber. Er sprang hinunter und versuchte,
     es zu ersticken, aber es hatte schon zu weit um sich gegriffen. Die Stube füllte sich schnell mit Rauch, und Reineke Fuchs,
     der draußen vor dem Fenster stand, merkte bald, wie es da drinnen aussah. »Nun Däumling,« rief er, »was ziehst du jetzt vor,
     – dich braten zu lassen oder zu mir herauszukommen? Ich hätte ja am meisten Lust, dich zu fressen, aber ich will mich freuen,
     auf welche Weise auch der Tod deiner habhaft werden mag.«
    Der Junge konnte nicht anders glauben, als daß derFuchs Recht bekommen würde, denn das Feuer griff mit schrecklicher Geschwindigkeit um sich. Das ganze Bett stand schon in
     Flammen, der Rauch stieg aus dem Fußboden auf, und an den bemalten Zeugstreifen kroch das Feuer von einem Reiter zum andern.
     Der Junge war auf den Herd herausgekrochen und bemühte sich, die Tür zum Backofen zu öffnen, als er hörte, wie ein Schlüssel
     in das Schloß gesteckt und langsam herumgedreht wurde. Das mußten Menschen sein, die kamen, und in seiner großen Not wurde
     er nicht bange, sondern freute sich nur. Er stand schon auf der Türschwelle, als die Tür sich schließlich auftat. Vor ihm
     standen ein paar Kinder, aber was für Gesichter sie machten, als sie die ganze Stube in hellen Flammen sahen, das zu beachten
     ließ er sich keine Zeit, sondern stürzte an ihnen vorüber, ins Freie hinaus.
    Er wagte nicht weit zu laufen. Er war überzeugt, daß Reineke Fuchs auf der Lauer lag, und er sah ein, daß er sich in der Nähe
     der Kinder halten müsse. Er wandte sich um, denn er wollte sehen, was für Leute es waren, aber er hatte sie noch keine Sekunde
     angesehen, als er auf sie zustürzte und rief: »Ei, guten Tag, Gänsemädchen Aase! Guten Tag, kleiner Mads!«
    Als der Junge die Kinder sah, vergaß er ganz, wo er war. Die Krähen und das brennende Haus und die Tiere, die sprechen konnten,
     schwanden aus seinem Bewußtsein. Er ging auf einem Stoppelfeld in West-Bemmenhög und hütete eine Schar Gänse, und auf dem
     danebenliegenden Felde gingen die beiden Kinderaus Smaaland mit ihren Gänsen. Und sobald er sie sah, sprang er auf die steinerne Umzäunung und rief: »Ei, guten Tag Gänsemädchen
     Aase, guten Tag, kleiner Mads!«
    Aber als die beiden Kinder den kleinen Wicht mit ausgestreckter Hand auf sich zukommen sahen, faßten sie sich bei den Händen,
     gingen ein paar Schritt rückwärts und sahen so aus, als seien sie in Todesangst.
    Der Junge sah ihren Schrecken, kam zu sich und entsann sich, wer er war. Und da meinte er, es sei das Ärgste, was ihm widerfahren
     könne, daß gerade diese Kinder sehen sollten, daß er verhext war. Er war ganz überwältigt vor Kummer und Schrecken, weil er
     kein Mensch mehr war. Er wandte sich ab und entfloh. Wohin; das wußte er selbst nicht.
    Aber als der Junge auf die Heide hinauskam, hatte er eine glückliche Begegnung. Denn mitten im Heidekraut sah er etwas Weißes,
     und niemand anderes als der weiße Gänserich in Gesellschaft von Daunenfein kam auf ihn zu. Als der Weiße den Jungen in einer
     solchen Eile laufen sah, glaubte er, daß ihm Feinde auf den Fersen seien. Er warf ihn schnell auf seinen Rücken und flog mit
     ihm davon.

XVI. Die alte Bauerfrau
    Donnerstag, den 14. April.
    Drei müde Wanderer waren in der späten Abendstunde ausgezogen, um ein Nachtlager zu suchen. Siezogen durch einen ärmlichen und schwachbebauten Teil des nördlichen Smaaland, aber daß sie einen Ruheplatz, wie sie ihn sich
     wünschten, finden könnten, hätte man doch meinen sollen, denn sie waren keine verwöhnten Leute, die weiche Betten und feine
     Stuben verlangten. »Hätte nur einer dieser langen Bergrücken einen Gipfel, so steil und hoch, daß kein Fuchs an einer der
     Seiten hinaufklettern kann, so hätten wir einen guten Schlafplatz,« sagte einer von ihnen. – »Wäre da nur kein Eis auf einem
     der großen Moore, und wäre es nur so sumpfig und naß, daß sich

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