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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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und rüttelte ihn. Da erhob sich der Junge und musterte die Kruke. »Wie
     glaubt ihr nur, daß ich armes Kind eine solche Kruke öffnen kann? Die ist ja ebenso groß wie ich.« – »Mach' sie auf!« kommandierte
     Wind-Eile noch einmal. »Sonst ergeht es dir schlecht.« Der Junge erhob sich, schwankte nach der Kruke, befühlte den Deckel
     und ließ die Arme sinken. »Ich habe sonst keine schwachen Kräfte,« sagte er. »Wenn ihr mich nur bis morgen schlafen lassen
     wollt, glaube ich wohl, daß ich mit dem Deckel fertig werden kann.«
    Aber Wind-Eile war ungeduldig und flog hin und zwickte den Jungen ins Bein. Das wollte sich der Junge jedoch nicht von einer
     Krähe gefallen lassen. Er riß sich schnell los, trat ein paar Schritte zurück, zog sein Messer aus der Scheide und hielt es
     ausgestreckt vor sich hin. »Nimm dich in acht!« rief er Wind-Eile zu.
    Der aber war so empört, daß er sich nicht von der Gefahr zurückschrecken ließ. Blind vor Wut stürzte er auf den Jungen los
     und fuhr gerade gegen das Messer, so daß es ihm durch das Auge ins Gehirn eindrang. Der Junge zog schnell das Messer zurück,
     Wind-Eileschlug aber nur noch mit den Flügeln, dann sank er um und war tot.
    »Wind-Eile ist tot! Der Fremde hat unsern Häuptling, Wind-Eile, getötet!« riefen die Krähen, die zunächst standen, und dann
     entstand ein entsetzlicher Spektakel. Einige jammerten, andere riefen nach Rache. Alle liefen oder flatterten sie auf den
     Jungen zu, mit Fumle-Drumle an der Spitze. Aber der tat wieder, als sei er ganz töricht. Er flatterte nur mit ausgebreiteten
     Flügeln über dem Jungen und hinderte die anderen, ihre Schnäbel in ihn zu bohren.
    Der Knabe hatte ein Gefühl, als befinde er sich in einer schlimmen Lage. Er konnte den Krähen nicht entkommen, und da war
     kein Ort, wo er sich hatte verbergen können. Aber dann fiel ihm die tönerne Kruke ein. Er zog kräftig an dem Deckel und riß
     ihn herunter. Dann sprang er in die Kruke hinein, um sich darin zu verstecken. Aber es war ein schlechtes Versteck, denn die
     Kruke war fast bis an den Rand mit dünnen Silbermünzen angefüllt. Der Junge konnte nicht tief genug hineinkommen. Da bückte
     er sich herab und fing an, die Silbermünzen herauszuwerfen.
    Während der ganzen Zeit hatten die Krähen ihn in einem dichten Schwärm umflattert und nach ihm gehackt, sobald er aber anfing,
     das Silbergeld herauszuwerfen, vergaßen sie augenblicklich ihre Rachsucht und beeilten sich, es aufzufangen. Der Junge schleuderte
     das Geld mit vollen Händen heraus, und alle Krähen, ja, selbst Wind-Kaara, liefen danach. Und sobald eine so glücklich war,
     eine Münze zu ergattern,flog sie so schnell wie möglich nach ihrem Nest, um sie dort zu verstecken.
    Als der Junge alles Silbergeld aus der Kruke herausgeworfen hatte, sah er auf. Da war nur noch eine einzige Krähe im Sandgraben
     zurückgeblieben, nämlich sein Freund Fumle-Drumle mit der weißen Feder im Flügel, die ihn getragen hatte. »Du hast mir einen
     größeren Dienst erwiesen, als du selber ahnst, Däumling,« sagte die Krähe mit einer ganz anderen Stimme und einem ganz andern
     Tonfall als bisher. »Ich will dir das Leben retten. Setze dich auf meinen Rücken, dann will ich dich nach einem Versteck bringen,
     wo du die Nacht in Sicherheit zubringen kannst. Morgen werde ich schon dafür sorgen, daß du zu den wilden Gänsen zurückkommst.«
Die Hütte.
    Donnerstag, den 14. April.
    Als der Junge am nächsten Morgen erwachte, lag er auf einem Bett. Sobald er sah, daß er sich zwischen Türen, mit vier Wänden
     um sich her und mit einem Dach über dem Kopf befand, glaubte er, daß er zu Hause sei. »Nun kommt Mutter wohl bald mit Kaffee,«
     murmelte er noch halb im Schlaf. Aber dann entsann er sich, daß er in einer leeren Hütte auf dem Krähenhügel war, und daß
     Fumle-Drumle mit der weißen Feder ihn am vorhergehenden Abend dahin gebracht hatte.
    Der ganze Körper schmerzte dem Jungen nach der gestern zurückgelegten Reise, und er fand, es warangenehm, so still da zu liegen, während er auf Fumle-Drumle wartete, der versprochen hatte, zu kommen und ihn zu holen.
    Vor dem Bett waren Gardinen von gewürfeltem Baumwollstoff, und er schob sie zur Seite, um sich in der Stube umzusehen. Er
     war sich gleich klar darüber, daß er ein Haus wie dieses noch nie im Leben gesehen hatte. Die Wände bestanden nur aus ein
     paar Reihen Balken, dann begann schon das Dach. Da war keine Decke, und er konnte ganz bis

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