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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Vogel Anspruch erheben konnte. Aber sie mochte nicht zwischen alle
     die Schwäne hineinschwimmen, die ringsum sie herumlagen. Sie fühlte sich nie so klein und so grau, als wenn sie zwischen die
     Schwänekam, und es konnte wohl geschehen, daß der eine oder der andere von ihnen ein paar Worte fallen ließ von gewissen Leuten,
     die grau und häßlich waren. Das klügste aber war, so zu tun, als höre man es nicht, und schnell weiter zu eilen.
    Diesmal hatte es den Anschein, als wenn alles ungewöhnlich gut gehen sollte. Die Schwäne glitten ganz still zur Seite, und
     die wilden Gänse schwammen gleichsam durch eine Straße, mit den großen, weißschimmernden Vögeln zu beiden Seiten. Es war sehr
     hübsch zu sehen, wie sie dalagen und die Flügel wie Segel ausspannten, um einen guten Eindruck auf die Fremden zu machen.
     Sie machten nicht eine einzige Bemerkung, und Akka war ganz erstaunt. »Tagklar hat früher von ihren Ungezogenheiten gehört
     und ihnen gesagt, daß sie sich wie gebildete Tiere benehmen sollen,« dachte die Führergans.
    Aber als die Schwäne sich so recht bemühten, gute Lebensart zu zeigen, erblickten sie den weißen Gänserich, der in der langen
     Reihe der Gänse als der letzte geschwommen kam. Da ging ein Brausen der Verwunderung und der Empörung durch die Schar, und
     mit einem Schlage war es vorbei mit dem feinen Wesen.
    »Was ist das?« rief einer von ihnen. »Wollen die wilden Gänse jetzt weiße Federn haben?«
    »Sie bilden sich doch wohl nicht ein, daß sie deswegen Schwäne werden!« schrien sie von allen Seiten.
    Sie riefen alle durcheinander mit ihren klangvollen, starken Stimmen. Es war nicht möglich, ihnen zu erklären, daß es eine
     zahme Gans sei, die mit den Wildgänsen gekommen war.
    »Das ist wohl der Gänsekönig selbst, der da kommt,« spotteten sie.
    »Ist das eine bodenlose Unverschämtheit!«
    »Es ist ja gar keine Gans, es ist nur eine zahme Ente!«
    Der große Weiße gedachte Akkas Befehl, sich nicht an das zu kehren, was sie zu hören bekämen. Er schwieg ganz still und schwamm
     so schnell er konnte, aber es half ihm nichts; die Schwäne wurden immer zudringlicher. »Was für eine Kröte hat er da auf dem
     Rücken?« fragte einer. »Sie glauben wohl, wir können nicht sehen, daß es eine Kröte ist, weil sie wie ein Mensch gekleidet
     ist.«
    Die Schwäne, die bisher in einer so hübschen Ordnung dagelegen hatten, schwammen nun in der wildesten Verwirrung bunt durcheinander.
     Alle drängten sich vor, um die weiße Wildgans zu sehen.
    »So ein weißer Gänserich sollte sich schämen, sich vor uns Schwänen sehen zu lassen.«
    »Er ist, weiß Gott, ebenso grau wie die anderen. Er hat sich nur auf einem Bauernhof in einen Milchkübel getaucht.«
    Akka war gerade bis zu Tagklar gelangt und wollte ihn eben fragen, womit sie ihm helfen könne, als er auf die Erregung aufmerksam
     wurde, die unter dem Schwanenvolk entstanden war. »Was ist denn da los? Habe ich nicht befohlen, daß sie höflich gegen Fremde
     sein sollen?« sagte er und sah sehr unzufrieden aus.
    Schneefried, die Schwanenkönigin, schwamm hin, um ihre Leute in Ordnung zu halten, und Tagklar wandte sich wieder an Akku.
     Da kam Schneefried zurück und sah sehr erregt aus. »Kannst du sie nicht zum Schweigenbringen?« rief ihr der Schwanenkönig entgegen.– »Da ist eine weiße Wildgans,« erwiderte Schneefried. »Das ist doch wirklich
     ein Skandal. Es wundert mich nicht, daß sie empört sind.«
    »Eine weiße Wildgans?« sagte Tagklar. »Das ist zu arg. Das gibt es ja gar nicht! Du mußt dich geirrt haben!«
    Das Gedränge um den Gänserich Martin wurde immer größer, und die anderen Wildgänse versuchten, zu ihm hin zu schwimmen, aber
     sie wurden hin und her gepufft und konnten nicht an ihn heran gelangen.
    Der alte Schwanenkönig, der der stärkste von ihnen allen war, setzte sich jetzt schnell in Bewegung, schob alle die anderen
     zur Seite und bahnte sich einen Weg zu dem Weißen. Aber als er sah, daß da wirklich eine weiße Gans auf dem Wasser lag, wurde
     er ebenso zornig wie alle die anderen. Er fauchte vor Wut, ging geradeswegs auf den Gänserich Martin los und riß ihm ein paar
     Federn aus. »Ich will dich lehren, du Wildgans, so aufgeputzt zu uns Schwänen zu kommen!« sagte er.
    »Flieg', Gänserich Martin, flieg'!« rief Akka, denn sie sah ein, daß die Schwäne dem großen Weißen jede Feder ausrupfen würden.
     Und »flieg'! flieg'!« rief auch Däumling. Aber der Gänserich lag

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