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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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er, daß sie den schönsten Blumen glichen. »Sie sehen alle zusammen so aus, als wären sie auf einem
     Beet in des Königs eigenem Garten gewachsen,« dachte er.
    Aber auch in Gagnef war nicht ein einziger Fleck, der frei von Schnee war, und die Wildgänse wußten keinen besseren Rat, als
     weiter gen Süden nach Floda zu fliegen.
    In Floda saßen die Leute in der Kirche, als die Wildgänse geflogen kamen, aber es sollte an dem Tage eine Hochzeit stattfinden,
     sobald der Gottesdienst beendet war, und die Hochzeitsgesellschaft stand draußen auf dem Kirchenhügel aufgestellt. Die Braut
     trug eine Goldkrone über dem ausgekämmten Haar und war so mit Schmucksachen und Blumen und bunten Bändern behängt, daß einem
     die Augen förmlich weh taten, wenn man sie ansah. Der Bräutigam ging in einem langen, blauen Rock, in Kniehosen und roter
     Mütze umher. Die Bauermädchen hatten Kleider an, die an der Taille wie auch rings um den Rock mit Rosen und Tulpen bestickt
     waren. Die Eltern und Nachbarn folgten im Zuge in ihren bunten Trachten.
    »Liebe Mutter Akka, fliege hier ein wenig langsamer,« bat der Junge, und die Führergans ließ sich so tief hinab, wie sie
     es nur wagen konnte, und flog dreimal über dem Kirchenhügel hin und her. Es ist schwer zu sagen, wie es sich in Wirklichkeit
     verhielt, aber so wie der Junge sie von hier oben sah, meinte er, eine so liebliche Braut und einen so stolzen Bräutigam und
     ein so prächtiges Brautgefolge könne es nirgends anders geben. »Ich möchte wohl wissen, ob der König und die Königin in ihrem
     hohen Schloß feiner sind,« dachte er bei sich selbst.
    Aber hier in Floda fanden die Wildgänse endlich schneefreie Felder, so daß sie nicht weiter zu fliegen brauchten, um Futter
     zu suchen.

XXXII. Die Überschwemmung
    1.-4. Mai.
    Mehrere Tage lang raste ein fürchterliches Wetter in der Gegend nördlich von dem Mälarsee. Der Himmel war ganz bedeckt, der
     Wind heulte, und der Regen strömte herab. Menschen wie auch Tiere wußten, daß das mit dazu gehört, wenn es Frühling werden
     soll, aber trotzdem fanden sie, daß es kaum zu ertragen sei.
    Als es einen Tag geregnet hatte, fingen die Schneemassen im Tannenwalde allen Ernstes an zu schmelzen, und in die Frühlingsbäche
     kam Fahrt. Alle Wasserlachen auf den Höfen, das stillstehende Wasser in den Gräben, das Wasser, das zwischen den Grasbüscheln
     im Moor und Sumpf hervorquoll, geriet alles in Bewegung und suchteeinen Weg nach den Bächen hinauszufinden, um mit ins Meer hinausgenommen zu werden.
    Die Bäche liefen, so schnell sie konnten, nach den Mälarflüssen hinab, und die Flüsse taten ihr bestes, um dem Mälar Wassermassen
     zuzuführen. Aber dann warfen alle die kleinen Seen in Uppland und im Bergwerkdistrikt an einem Tage die Eisdecke ab, so daß die Flüsse sich mit Eisschollen anfüllten und plötzlich bis an ihre Ufer stiegen. Und so groß
     wie die Flüsse nun geworden waren, stürzten sie sich in den Mälarsee, und es währte nicht lange, bis soviel Wasser dahinein
     gelaufen war, daß er auf keine Weise mehr aufnehmen konnte. Der Strom unten am Auslauf wurde stark, aber der Nörrström ist
     ein enges Fahrwasser, und er konnte das Wasser nicht so schnell, wie es nötig war, hindurchlassen. Obendrein raste ein östlicher
     Sturm, so daß die Wellen des Meeres in starker Brandung gegen das Land getrieben wurden und sich gegen den Strom stemmten,
     der süßes Wasser in die Ostsee führen wollte. Da nun die Flüsse dem Mälar unaufhörlich neues Wasser zuführten, und der Strom
     nicht imstande war, es fortzuführen, blieb dem großen See nichts weiter übrig, als über seine Ufer zu treten.
    Er stieg sehr langsam, ganz als sei er unwillig, seinen schönen Ufern Schaden zuzufügen. Da diese aber fast überall niedrig
     sind und schwach abfallen, währte es nicht lange, bis das Wasser viele Ellen weit ins Land hineingelangt war, und mehr gehörte
     nicht dazu, um die größte Verwirrung anzurichten.
    Der Mälar ist etwas ganz für sich. Er besteht aus lauter engen Föhrden, Buchten und Sunden; nirgendsbreitet er sich zu großen, sturmgepeitschten Flächen aus, es ist, als sei er nur zu Vergnügungsreisen und Luftfahrten und
     fröhlichen Fischzügen geschaffen. Und er hat so viele schöne, bewaldete Inseln, Werder und Landzungen: nirgends zeigt er uns
     kahle, nackte, windzerzauste Ufer; es ist, als habe er sich nie gedacht, daß sie etwas anderes tragen sollten als Lustschlösser,
     Landhäuser,

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