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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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ging auf, und die verlassene Haltestelle wurde von einem warmen gelben Licht überflutet. Zwei ältere Herren mit langen Signalhörnern in der Hand stiegen aus. Richard erkannte sie: Dagvard und Halvard, vom Earl’s Court; konnte sich allerdings nicht mehr erinnern, wer wer war. Sie setzten die Hörner an die Lippen und bliesen falsch, aber ehrlich eine Fanfare.
    Richard stieg in den Zug, und sie folgten ihm.
    Der Earl saß am Ende des Waggons und tätschelte seinen Wolfshund. Der Hofnarr – Tooley, dachte Richard, das war sein Name – stand neben ihm. Abgesehen von ihnen und den zwei Rittern war der Waggon menschenleer.
    »Wer ist da?« fragte der Earl.
    »Er ist es, Sire«, sagte sein Narr. »Richard Mayhew. Der, der das Ungeheuer getötet hat.«
    »Der Krieger?« Der Earl kratzte seinen rotgrauen Bart. »Bringt ihn her.«
    Richard ging zu dem Sessel des Earl. Der Earl musterte ihn nachdenklich von Kopf bis Fuß, und nichts deutete darauf hin, daß er sich daran erinnerte, Richard schon einmal begegnet zu sein.
    »Ich dachte, Ihr wärt größer«, sagte der Earl schließlich.
    »Tut mir leid.«
    »Nun denn, fangen wir an.« Er stand auf und wandte sich an den leeren Waggon. »Guten Abend. Wir sind hier, den jungen Maybury zu ehren. Wie sagt doch der Barde? « Und dann rezitierte er rhythmisch dröhnend: »Bäche des Blutes brechen hervor, flink fällt der Feind, rettender, ruhmvoller Recke, kühnster Knabe … Ein Knabe ist er allerdings eigentlich nicht, was, Tooley?«
    »Nicht direkt, Euer Gnaden.«
    Der Earl streckte die Hand aus. »Gebt mir Euer Schwert, mein Freund.«
    Richard faßte sich an den Gürtel und zog das Messer heraus, das Hunter ihm geschenkt hatte. »Geht das auch?« fragte er.
    »Ja-ja«, sagte der alte Mann und nahm es entgegen.
    »Hinknien!« soufflierte Tooley und deutete auf den Boden des Zuges. Richard ließ sich auf ein Knie nieder.
    Der Earl tippte ihm mit dem Messer sanft auf beide Schultern. »Steht auf«, brüllte er, »Sir Richard of Maybury. Mit diesem Messer verleihe ich Euch die Freiheit der Unterseite. Es sei Euch erlaubt, Euch ohne Hindernisse und Hürden frei zu bewegen … und so weiter und so fort … et cetera … blah blah blah.« Seine Stimme erstarb.
    »Danke«, sagte Richard. »Eigentlich heiße ich Mayhew. «
    Doch der Zug hielt.
    »Hier müßt Ihr aussteigen«, sagte der Earl. Er gab Richard sein Messer zurück und klopfte ihm auf den Rücken.
    Der Ort, an dem Richard ausstieg, war keine U-Bahn-Haltestelle. Er lag über der Erde. Ein wenig erinnerte er Richard an den Bahnhof St. Pancras – die Architektur hatte etwas ähnlich Überdimensionales und Pseudogotisches. Aber auch etwas Verkehrtes, das ihn irgendwie als Teil von Unter-London kennzeichnete.
    Das Licht war von dem seltsamen Grau, das man kurz vor dem Morgengrauen und nach dem Sonnenuntergang sieht, wenn die Welt verwaschen ist und Farben und Entfernungen sich nicht mehr einschätzen lassen.
    Ein Mann saß auf einer Bank und starrte ihn an, und Richard näherte sich ihm vorsichtig, denn in dem Grau konnte er nicht erkennen, wer es war. Richard hielt immer noch Hunters Messer – sein Messer – in der Hand, und um sich zu beruhigen, packte er das Heft jetzt noch fester.
    Der Mann schaute hoch, als Richard näherkam, und sprang auf. Es war Lord Rattensprecher. »Nun-nun. Ja-ja«, sagte der Rattensprecher erregt. »Wollte nur sagen, das Mädchen Anaesthesia. Nichts für ungut. Die Ratten sind immer noch Ihre Freunde. Und die Rattensprecher. Kommen Sie nur zu uns. Wir tun für Sie, was wir können.«
    »Danke«, sagte Richard. Lord Rattensprecher hantierte auf der Bank herum und präsentierte Richard eine schwarze Sporttasche mit Reißverschluß, die ihm überaus vertraut vorkam.
    »Es ist alles da. Alles. Sehen Sie nach.«
    Richard öffnete die Tasche. All seine Besitztümer waren darin, einschließlich seiner Brieftasche, die zuoberst auf einer sauber gefalteten Jeans lag. Er zog den Reißverschluß zu, warf sich die Tasche über die Schulter und ging fort, ohne sich noch einmal umzuschauen.
    Er trat aus dem Bahnhof und stieg ein paar Stufen hinab.
    Alles war still. Alles war leer. Totes Herbstlaub wehte über den Vorplatz, ein gelbes, ockerfarbenes und braunes Flirren. Er überquerte den Platz und ging ein paar Stufen in eine Unterführung hinunter. Etwas flatterte im Halbdunkel.
    Richard drehte sich mißtrauisch um. Es war etwa ein Dutzend, in dem Gang hinter ihm, und sie glitten fast lautlos auf ihn zu, nur

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