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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Klimper kämpfte noch gegen die Müdigkeit an, indem sie sich mit dem Zauberstab auf den Kopf schlug. Doch ihr Arm wurde langsamer und schließlich kippte die Wünsche-Fee zur Seite, auf Lillys Fellbauch. Die Katze schnurrte leise, als bedanke sie sich für die eher unsanfte Berührung.
    Nina presste die Lippen aufeinander. Sie würde diese seltsame Schar vermissen. Aber sie wusste, dass sie dieses Land verlassen und nach Hause zurückkehren musste. Vielleicht schon sehr bald. Mit einem Mal fror sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Ruhe, die sich von außen gegen die Tür lehnte, ängstigte sie. Nina blickte zu dem braunen Stoff, der aus einer Ecke des Schrankes herauslugte. Obwohl sie alle Türen und Bretter herausgenommen und auf das Bett gelegt hatte – den Stoff hatte sie nicht freibekommen.
    Sie wandte sich ab und sah aus einem der Fenster in den Wald, der sich neben der Burg erstreckte. Weit entfernt glaubte sie Stimmen zu hören. Und lachte da nicht jemand?
    Jemand! Wäre das nicht ein Name für Niemand?
    Nina schüttelte den Kopf. Natürlich nicht. Wen sollte sie vermissen, wenn es ein Niemand oder ein Jemand wäre? An nichts außer seiner Stimme würde sie sich erinnern. Und das nur, weil sie keinen Namen für ihn fand. Eine Träne rann über ihre linke Wange. Und als sie nun die Augen schloss, folgten Miniatur-Wasserfälle, die jedoch auf ihrer Kleidung trockneten und nicht – wie Petit – Realität wurden. Sie war nicht wie Niemands Mutter.
    Nina wollte das Land nicht verlassen.
    Einmal fort, könnte sie vielleicht nie wieder die Grenzen überschreiten. Nie mehr. Dann würde sie Lilly nie wiedersehen, den Nikolaus und Jesus vergessen, denn wer glaubte in ihrer Welt an sie?
    Und wer glaubte dort an einen Niemand?
    Nina wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Aber wenn sie einen Namen für ihn hatte, einen richtigen, schönen Namen, einen, der ihm Mut und Großzügigkeit, Herz und Freundlichkeit verlieh, einen Namen, der einem Herrscher gerecht wurde, einen Namen, der ihr gefiel und ihm, dann könnte sie sich an ihn erinnern, seinen Namen überall hinschreiben, auf den Handrücken kritzeln, auf die Wand sprühen, in den Nacken tätowieren lassen und ihn mit rosa Wolkentinte in die Luft schreiben. Aber ohne Namen war er niemand. Blieb er Niemand.
    Die Türklinke bewegte sich lautstark. Nina zuckte erschrocken zusammen.
    ******

    Er hatte es satt, sich der Lethargie hinzugeben. Immerhin war er der zukünftige alleinige Herrscher eines sagenhaften Landes.
    Wer sollte ihm gehorchen, wenn er sich wie ein Jammerlappen aufführte? Der war auch verschwunden – der Jammerlappen. Er hatte ihn   in seinen Schrank eingesperrt, weil er das Gejammer nicht mehr ausgehalten hatte. Irgendwer musste ihn befreit haben. Überhaupt waren all seine Untertanen wie vom Erdboden verschluckt, als hätte der Teufel sie geholt.
    Das musste er ihm austreiben, dem Teufel. Was dachte der sich dabei, die Untertanen des Herrschervaters für seine Zwecke zu benutzen? Oder hatte der Schwarze Mann sie alle geholt? Nein, das war nicht möglich, denn die Nacht kam heute nicht, das hätte sie sonst längst hinter sich bringen müssen. Seltsames geschah, seit dieses Pfui-bäh-Mädchen ins Niemandsland eingedrungen war. Er musste sie töten, bevor Niemand zurückkam. Damit würde er die Hoffnung seines, ach so geliebten Sohneniemandchens zerstören und ihm jegliche Kraft rauben. Dann könnte er sich aufopfernd um ihn kümmern und sich den Thron verdienen. Verdammt. Der Thron bestand nur aus bunten Kieseln und glänzte ein bisschen – mehr nicht.
    Dieser Quatsch um Ehre und Großmut – so etwas konnte sich auch nur eine Frau ausdenken, eine verwirrte zudem, denn bei klarem Verstand konnte diese Alte, die Vorfahrin von Niemands Mutter, nicht gewesen sein.
    Niemand Sonst drehte den Schlüssel, an dem ein paar seiner Achselhaare mit seinem Schweiß festklebten, im Schloss zweimal rum. Klackend rutschte es zurück. Er drückte die Klinke hinunter, aber die Tür blieb zu.
    »Dieses verdammte Gör!«
    Mit einer melodiösen Stimme sang er: »Nina. Kind. Geht es dir gut?«
    Er lauschte. Durch die dicke Eichentür drang kein Laut. Schlief sie? Sicher nicht. Sie war ein hinterlistiges kleines Miststück, das darüber nachdachte, ihm die Herrschaft abzuringen.
    »Lass mich sofort rein, du … du …« Ihm wollte kein passendes Schimpfwort einfallen, das diesem hässlichen, stinkenden Gör annähernd zustand, außer: »Du

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