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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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ein und grapschen glitzerndes Gestuhle des gesamten Gebietes! Gack! Gah!« Die anderen vier Greislinge triumphierten in voller Vorfreude, hüpften und gackerten dabei wie pubertierende Hennen.
    Überhaupt Niemand schüttelte den Kopf. Die Greislinge waren grauselig. Und er hätte am liebsten die Augen vor diesen größenwahnsinnigen Fröschen geschlossen, doch er fürchtete, den Tod nicht kommen zu sehen.
    Doch der Tod war auf Urlaub, er würde nicht einmal die Seelen der Kreischzwerge einsammeln. Die fünf Giganten-Greislinge, die nicht gigantisch groß, aber grausam waren, und nicht goldgelockt, sondern goldfarben, aber nicht goldig, dafür das Haar gelockt trugen und einen bescheuerten G-Sprachfimmel hatten, hüpften aus der Höhle heraus und an dem Heiligen Geist vorbei. Nur der axtschwingende Greisling, der Mörder der Kreischzwerge, hielt den Heiligen Geist eines Blickes für würdig. Überhaupt Niemand fühlte sich entdeckt. Der schwarz gelockte Frosch, der einen Totenkopf auf der linken Wange tätowiert hatte – goldfarben natürlich –, sagte: »Großer Geist, guillotinieren gibt Greislingen Genugtuung. Gah. Grrr«, und schwang seine Axt. Niemand Sonst duckte sich, vor Angst machte er sich fast in die Hose. Um dem zu entgehen, packte er sich in den Schritt und dachte an Phantastinaken. Er mochte Phantastinaken, das wusste aber außer ihm keiner im Niemandsland.
    »Gefangener Geist gammelt grandios! Gesell dich, Gustav!«, rief ein anderer Greisling. Gustav? Der Totenkopf-Greisling hieß Gustav? Der hatte einen Namen? Überhaupt Niemand schmeckte Pfeffer auf der Zunge. Wut. Wieso hatte er keinen Namen?
    Gustav gahte und grierte ein letztes Mal, dann hüpfte er hinter seinen Froschgesellen her. Überhaupt Niemand atmete erst auf, als ihn die Stille willkommen hieß. Er rutschte unter dem Heiligen Geist hinweg und erbrach sich neben das Feuer, die Augen vor den brennenden Kreischzwerge-Überresten geschlossen.
    »Jetzt müssen wir schnell hier weg. Du stinkst wie ein Faules Landei, aber ich nehm dich mit. Ich mach das! Ich hab das versprochen. Mir und dir natürlich auch.«
    Überhaupt Niemand sah sich nach den Schlüsseln um, mit denen sich die Metallfesseln öffnen ließen, und starrte schließlich doch ins Feuer. Dort lag ein Schlüsselbund, den einer der Kreischzwerge bei sich getragen haben musste. Flammen leckten daran. Er spürte Trauer, obwohl er die Kreischzwerge gefürchtet und sie später für doof gehalten hatte. Aber so einen Tod verdiente niemand.
    Überhaupt Niemand sah auf und starrte an die Höhlenwand. Er dachte nach. Er war nicht der Typ, der oft nachdachte. Doch diesmal musste er über seine letzten Gedanken grübeln. Niemand verdiente so einen Tod? Nein. Er schüttelte den Kopf. Seinem Neffen wünschte er diesen Tod auch nicht. In seinem Kopf schwirrte es, als befände sich darin anstelle eines Gehirns ein nervöser Bienenschwarm.
    Mutig stürzte er vor, riss den Schlüsselbund, glühend vor Hitze, aus dem Feuer, warf ihn mit einem Aufschrei auf den Boden und schüttelte seine Hand hin und her, pustete, jammerte. Der brennende Schmerz in seinen Fingern ebbte nicht ab. Aber Überhaupt Niemand wollte endlich aus der Höhle verschwinden. Er biss die Zähne zusammen und verdrückte zwei Tränen.
    Endlich setzte er seinen Plan um. Ein guter Plan, der beste, den er bisher in seinem Leben gehabt hatte.
    Das Glück blieb an seiner Seite. Der erste Schlüssel passte. In wenigen Sekunden befreite er den Heiligen Geist.
    »Jetzt aber raus hier!«
    Doch der Heilige Geist bewegte sich nicht. Er sabberte, brabbelte, umklammerte Überhaupt Niemands Unterarm, als bitte er darum, nur nicht allein gelassen zu werden. Überhaupt Niemand starrte eine Weile auf die geisterhaften Finger, die wie von einer Statue bei Sonnenaufgang in der Luft erstarrt schienen. Überhaupt Niemand spürte die Hand des Heiligen Geistes an seinem Arm. Seinen Arm sah er jedoch nicht. Was gäbe er darum, sichtbar zu sein.
    Er überlegte nicht länger, legte sich den stinkigen, ausgehungerten und federleichten Heiligen Geist über die Schulter und kroch mit ihm aus der Höhle heraus.
    Der Geruch von Apfel begleitete ihn, aber es roch nicht nach fauler Apfelkitsche, sondern frisch, saftig und knackig. Er war stolz auf sich selbst.
    Als sie ins helle Tageslicht traten, gab der Heilige Geist ein leises und erschöpftes Stöhnen von sich, das jedoch nach Erleichterung und einem Wohlgefühl klang. Behutsam bettete Überhaupt Niemand den

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