Niemand
Mädchen, du!«
Als Antwort erhielt er Babygeschrei.
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Petit weckte Anton, Lilly und Fräulein Klimper mit seinem Weinen. Doch sie ignorierten das schreiende Klößchen und starrten zur Zimmertür. Dem Krach nach zu urteilen, trat und hieb Niemand Sonst dagegen. Ninas aufgetürmter Wall aus den wenigen Möbeln, die es im Zimmer gegeben hatte, hielt stand. Noch.
Anton besann sich seiner Vaterrolle, nahm Petit auf den Arm und schaukelte ihn zärtlich. Er beruhigte sich augenblicklich. Nun lärmte nur noch Niemand Sonst: »Wer schreit da? Ich dulde kein Baby in meiner Burg. Das halte ich nicht aus!«
»Kannst du den da draußen auch mal in den Schlaf wiegen?«, meinte Lilly. Doch Anton antwortete nicht. Angst legte seine Sackstirn in Falten. »Der zerquetscht uns.«
»Lilly kann Petit hier wegbringen. Durchs Fenster«, sagte Fräulein Klimper. Auch ihr schien nicht wohl bei dem Gedanken zu sein, auf Niemand Sonst zu treffen. »Und wenn du dir etwas wünschst, kann ich auch verschwinden und Petit oder Anton mitnehmen. Es plingt nur noch hier und da, aber ein Pling reicht und zwei von uns sind in Sicherheit.«
»Ja, wünsch uns alle zusammen weg von hier.« Anton nickte, und nicht nur er hielt seine Idee für grandios.
»Darauf hätte ich schon viel früher kommen können«, stimmte Lilly ihm zu, nur Fräulein Klimper blieb skeptisch: »Ich bin mir nicht sicher, ob das geht.« Sie fuchtelte mit ihrem Zauberstab in der Luft herum. »Versuche es. Schnell. Wohin soll ich uns bringen?«
Nina schwieg.
Niemand Sonst polterte gegen die Tür, die sich ein Stück öffnete. Es gelang ihm, die Möbel zur Seite zu schieben. Seine laute und herrische Stimme klang nun viel näher. »Du bist ja gar nicht allein!« Das Zetern und Hämmern verstärkte sich mit seiner wachsenden Wut: »Das ist mein Drecksack!«
»Nina?« Anton zupfte ihr am Hosenbein. »Nina? Bitte, wünsch uns fort von hier. Schnell!«
»Das habe ich doch!«
»Was?«, klang es im Chor, und alle Blicke richteten sich auf Fräulein Klimper. »Ich habe keinen Wunsch vernommen. Versuch es noch mal.«
Diesmal konzentrierte sich Nina, sie schloss die Augen und legte die Hände über die Ohren. In dieser vermeintlich ruhigen Atmosphäre wünschte sie sich aus der Burg hinaus.
»Es geschieht nichts«, rief Fräulein Klimper, ohne zu hicksen. Ihren Rausch hatte sie endlich hinter sich, doch nun verfiel sie der Panik. »Vielleicht kann ich nicht mehr zaubern, nicht mehr plingen vor lauter Hicksen und Feenkrautsuff? Oder weil ich an Nina gebunden bin?«
Lilly legte eine Pfote auf Fräulein Klimpers Schulter, die unter der Last in die Knie ging. »Entschuldigung«, meinte Lilly. »Was hast du dir gewünscht, Nina? Schnell!«
Der Türspalt nahm an Größe zu, nicht mehr lange und Niemand Sonst schob sich hindurch, auch wenn keiner wusste, wie dick der Herrscher des Vaters war. Hibbel hätte bereits hindurchschlüpfen können, während Gibbel nicht einmal durch die geöffnete Tür gepasst hätte. Aber den Umfang eines Gibbels hatte Niemand Sonst sicherlich nicht.
»Gleich hab ich euch!«, kreischte Niemand Sonst.
»Ich habe uns aus der Burg hinaus gewünscht.«
»Wünsch dir einen Ort, wohin uns Klimper plingen soll«, drängte Lilly.
»Fräulein Klimper, so viel Zeit muss sein.«
Lilly: »So viel Zeit haben wir nicht.«
Nina: »Ich kenne hier doch nichts.«
Anton: »In den Niemandswald. Schnell.«
Klimper: »Das ist nicht weit genug.«
Lilly: »Doch, erst mal raus.«
Klimper: »Glaubenswald. Versuch’s damit.«
Nina sah von einem zum anderen. Ihr Kopf rauschte und sie wünschte sich zu Niemand.
Aber auch dieser Wunsch erfüllte sich nicht. Niemand kann sich zu einem Niemand wünschen.
Das Bett rutschte mit so viel Wucht gegen den Schrank, dass die Bretter, die Nina zum Beschweren des Bettgestells verwendet hatte, auf den Boden polterten und der Schrank bedrohlich wackelte.
Petit erschrak und weinte erneut.
Als Niemand Sonst noch einmal die Tür gegen die Barriere rammte, kippte der Korpus zur Seite und krachte auf den Steinboden. Holz splitterte. Die Kiste, in dem die Briefe und die seltsamen Zeichnungen von Niemands Mutter aufbewahrt waren, wurde zerquetscht. Nina, die am nächsten an dem zerschellten Kleiderschrank stand, starrte wie paralysiert auf die zerbrochenen Reste.
Der Stofffetzen. Jetzt war er frei. Aber es blieb keine Zeit, ihre Neugier zu befriedigen. Nichts schien in diesem Moment der Gefahr unwichtiger als ein Stück
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