Niewinter 02 - Salvatore, R: Niewinter 02 - Neverwinter
wodurch die Körperkraft im gleichen Maße zu wachsen schien, wie sie an Gleichgewicht und Schnelligkeit verloren.
Nicht so Drizzt.
Sein Hals war entspannt, die Schultern beweglich. Seine Kraft kam aus seinem Bauch und aus den Muskeln entlang seines Brustkorbs. Unwillkürlich fragte sich Dahlia, wie viele Gegner sich wohl schon in seinem schmalen Hals und dem geschmeidigen Schultergürtel des Drow getäuscht hatten, dem es augenscheinlich an Kraft mangelte, um sich kurz darauf entwaffnet oder von der Macht seiner Hiebe gespalten zu sehen. Die Krummsäbel sirrten in verblüffendem Tempo, während er immer mehr in seinem Tanz aufging, und doch waren jeder Hieb und jeder Stoß von Balance und Kraft geprägt.
Instinktiv berührte Dahlia ihr rechtes Ohr, wo jetzt kein Diamantstecker mehr hing. Ihr Lächeln wurde noch breiter. Hatte sie endlich den Geliebten gefunden, der ihren Schmerz stillen konnte?
Drizzt schwitzte, und seine dunkle Haut glänzte im Mondschein. Er stach mit beiden Klingen parallel nach rechts, setzte aber bereits geschickt die Füße zur Gegenseite und fuhr nach links, sodass die rasche Wendung des Oberkörpers ihm den nötigen Schwung für einen Überschlag gab, nach dem er wieder auf den Füßen landete. Nur einen Herzschlag später glitt er auf die Knie, wie um einem tiefen Schwerthieb von rechts auszuweichen. Ein blau leuchtender Säbel stach in diese Richtung, und schon war Drizzt wieder in Bewegung. Er war so rasch aufgesprungen, dass Dahlia den Übergang nicht einmal bemerkt hatte.
Die Elfenfrau fuhr sich mit der Zunge über die lächelnden Lippen.
»Ich kann ihn reiten!«, beharrte Dahlia. »Ich bin eine erfahrene Reiterin.«
»Andahar ist kein Pferd«, erwiderte Drizzt vom Rücken des Einhorns aus. Der Drow streckte Dahlia erneut die Hand hin. Sie widersetzte sich immer noch.
»Oder hast du etwa Angst, dass Andahar mich am Ende lieber mag?«, fragte sie grinsend.
»Das wäre egal. Ich habe die Pfeife.«
»Die könnte ich ja nehmen.«
»Versuch’s doch.« Damit zog Drizzt seine Hand zurück, zuckte mit den Schultern und versetzte Andahar mit einem leisen Schnalzen in einen langsamen Trab. Sie waren jedoch nur wenige Schritte weit gekommen, ehe Dahlia das Ende ihres acht Fuß langen Stabs auf den Boden stützte und sich hinter dem Drow auf das Einhorn katapultierte.
»Glaubst du etwa, ich bräuchte deine Hand, Drow?«, fragte sie. »Glaubst du, ich bräuchte irgendwas von dir?«
Drizzt trieb sein mächtiges Ross zu leichtem Galopp an und lenkte Andahar mit einem Griff in seine fließende weiße Mähne durch die Büsche.
»Wir werden eine frühe Mittagspause einlegen. Bald danach stoßen wir auf die Straße«, sagte der Dunkelelf.
»Und dann?«
»Nach Norden«, antwortete er. »Richtung Letzthafen, vielleicht auch nach Luskan, um mehr in Erfahrung zu bringen.«
Sein Ton und seine Haltung verrieten, dass er mit Widerspruch rechnete. Dahlia hatte deutlich gesagt, dass sie nach Süden wollte, in den Wald von Niewinter, wo sie die Magierin aus Tay, Sylora Salm, und ihren Todesring erledigen wollte.
Zu seiner Überraschung erhob Dahlia jedoch keine Einwände. »Also auf nach Luskan«, stimmte sie zu. »Aber so schnell wie möglich, und dann genauso schnell wieder nach Süden. Soll Sylora Salm noch ein wenig mit den Zähnen knirschen, weil ihr Urelementar versagt hat. Aber nicht mehr lange!«
»Und dann töten wir sie«, sagte Drizzt. Seine Feststellung enthielt einen fragenden Unterton.
»Skrupel?«, fragte Dahlia.
Drizzt lenkte Andahar bergab auf ein Wäldchen zu und bremste das Einhorn dabei zu langsamem Traben ab. »Ich hatte gesagt, ich würde mich dir nicht anschließen, wenn du nur auf Rache aus bist.«
»Sylora ist hier noch nicht endgültig geschlagen«, erinnerte ihn Dahlia. »Sie wird erneut versuchen, den Urelementar freizusetzen und eine Katastrophe im Norden auszulösen, die ihren Todesring nähren kann. Und du glaubst, ich wäre nur auf Rache aus?«
Drizzt brachte Andahar abrupt zum Stehen und drehte sich langsam um. Er sah Dahlia direkt in die blauen Augen. »Ich hatte gesagt, wenn es nur um deinen persönlichen Rachefeldzug ginge, würde ich mich dir nicht anschließen.«
Dahlia grinste ihn an. Als die faszinierenden blauen und violetten Farbpunkte auf ihrem Gesicht sich dabei bewegten, erinnerte sie ihn verblüffend an eine sprungbereite Raubkatze, und dieser Gedanke war ihm anzusehen. Dahlia neigte den Kopf nach rechts und wandte ihn dann abrupt nach links.
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