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Nigger Heaven - Roman

Nigger Heaven - Roman

Titel: Nigger Heaven - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walde + Graf Verlag
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dehnend, ließ Anatole seinen Blick über die Tanzfläche gleiten. Paare tanzten so nah beieinander, dass ihre Körper verschmolzen, während sie sich zum gequälten Heulen der Blasinstrumente und dem rohen Hämmern der Trommel wiegten und schüttelten. Quer über dem Rücken der Frauen, flach an ihre Schulterblätter gedrückt, lagen die Hände ihrer Tanzpartner. Da waren Schwarze aller Schattierungen, Kohlrabenschwarze, Schokoladenbraune, Ockerfarbene, »Gelbe«, Café-au-lait-Häutige, Mulatten und ganz Helle.
    »Komm schon, schwofen wir«, ermunterte Ruby den Creeper.
    »Erst mal setzen«, befahl Anatole. Er gab dem Garderobenmädchen seinen Strohhut und folgte einem Kellner an einen freien Tisch, wobei er Ruby vor sich herschob.
    »Hallo, Toly!«, rief eine Bekannte von einem der Nachbartische.
    »Hallo, Licey!«
    »Ein Bier«, gab der Creeper in Auftrag.
    Der Kellner lief im Charlestonschritt über das Parkett, vom Rhythmus angesteckt, das Tablett hoch über seinem Kopf auf der flachen Hand drehend.
    »Und mit der willst du anbandeln«, klagte Licey am Ohr des Creepers. »Ich kenn ´ne Lady, die wird bald das Lied vom treulosen Schuft singen.«
    »Was du nicht sagst.«
    Licey gluckste: »Ich kenn dich doch, Süßer.«

    Der Kellner kam zurück und schlüpfte wendig wie eine Katze von einer zur anderen Seite zwischen den Tänzern hindurch. »Do that thing! Charleston! Charleston! Oh boy!«
    Auf seinem Tablett standen zwei Gläser, zwei Flaschen Ginger Ale und eine Schale mit Eis. Er schenkte das Ginger Ale ein. Anatole zog derweil aus seiner Hüfttasche eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit hervor und kippte den Gin dazu.
    »Tea for Two!« Er stieß wohlwollend mit seiner Gefährtin an. Sie kippte ihr Glas in einem Zug hinunter und kicherte dann: »Toly, du bist mein Schatz, und ich liebe dich einfach über alles!«
    Everybody loves mah baby, posaunte das Kornett.
    »Aber mein Baby liebt nur mich allein«, flötete Ruby dazu. Zögernd drückte sie den Arm des Creepers. Da er gegen diese Aufmerksamkeit anscheinend nichts einzuwenden hatte, streichelte sie ihn zärtlich.
    »Nur eine Runde tanzen«, bettelte sie.
    Er tat ihr den Gefallen. Er schob sie, eng umschlungen, langsam durch den Saal. Ihre Absätze streiften das Parkett, ihre Knie schoben sich verliebt aneinander. Überall um sie herum zuckten Körper in pittoresker Bekleidung, schwarze, braune und hellhäutige Körper, ein Kaleidoskop von Farben, die vom bernsteingelben Licht der Scheinwerfer verwandelt wurden in flaschengrüne, kirschfarbene, veilchenblaue, zinnoberrote und zitronengelbe Streifen. Der Schlagzeuger warf in völliger Ekstase seine Stöcke in die Luft, wobei er seinen Kopf wie ein wildes Tier schüttelte. Der Saxophonspieler schob einen schäbigen Derbyhut über die Öffnung seines Instruments, um das Getöse zu mildern. Die Banjos klimperten wie im Delirium. Die Kapelle gellte und schnaubte, sie pfiff und lachte wie eine Hyäne. Die Musik erinnerte den Creeper an jene fernen Tage, als er als Schuhputzer bei einem Barbier in Memphis gearbeitet hatte. Eng aneinandergedrückt, wiegten und schüttelten, wiegten und schüttelten sich die Leiber. Manchmal verharrte ein Paar mit rollenden Augen, gänzlich gefangen vom Wirbel des schmerzvollen Klangs, auf der Stelle. Dann kam einer der Tanzordner und rief: »Keine Mätzchen, Leute! Dalli! Bewegt euch!«
    Und plötzlich war unerwartet alles vorbei. Der Saxophonspieler vertauschte das Mundstück seines Instruments mit einem schwarzen Zigarrenstummel. Wie von einer geheimen Verzauberung erlöst, trennten sich die Paare und taumelten zu ihren Tischen zurück. Jetzt, da die Musik schwieg, hatten ihre Körper das Geheimnis des magischen Rhythmus verloren. Normale Beleuchtung. Eine neue Stimmung. Lachen und Schwatzen. Eine Frau kreischte hysterisch. Der Creeper zog die Flasche aus seiner Tasche und schenkte noch zwei Drinks ein.
    Wieder trank Ruby den Drink auf ex. Sie hatte dieses Mal auf das Ginger Ale verzichtet. Wieder streichelte sie den Arm ihres Begleiters. Und wieder suchte sie seine Augen, die groß und braun waren wie die einer Hirschkuh.
    »Ach, Daddy, jetzt werd ich dir mal zeigen, was Liebe ist«, versprach sie.
    Der Creeper grunzte zustimmend.
    »Weißt du, wie ich all das hier nenne?«, fuhr sie verzückt fort.
    »Was alles?«
    »Das hier, der Ort, wo ich dich getroffen habe – Harlem! Ich nenne es, besonders heute Abend, Nigger Heaven, ja, so nenn ich´s! Tatsächlich, so ist es, ich

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