Night School 01 - Du darfst keinem trauen
kamen vor der schweren Holztür zum Stehen und drückten sie auf. Draußen prasselte der Regen. Allie rannte ohne zu zögern hinaus, doch am Fuß der Treppen blieb sie stehen und drehte sich zu Jo um.
»Welche Richtung?«, schrie sie gegen das Getöse des herannahenden Gewittersturms an.
Jos Finger deuteten zum Westflügel. Sie hetzten die Einfahrt hinunter und dann über das nasse Gras Richtung Wald. Allie hörte nur ihren eigenen rauen Atem in den Ohren rasseln und das Trommeln des Regens – sonst nichts.
Ein paar Minuten später sah sie durch die Bäume einen verlassenen viktorianischen Gartenpavillon. Sie rannten die Stufen hinauf und sahen sich keuchend um. Allie beugte sich vor und stemmte die Hände gegen die Knie, um wieder zu Atem zu kommen.
Jo deutete in den Wald. »Da.«
Allie spähte in den trüben Regen, konnte aber nichts erkennen.
Dann hörte sie jemanden rufen. Es klang sehr fern. Allie sah zu Jo, um festzustellen, ob sie es auch gehört hatte. Den Mund leicht geöffnet, starrte Jo geradeaus und lauschte in den Wald.
»Hast du das gehört?«, flüsterte Allie. Jo nickte, den Blick immer noch fest auf den Wald gerichtet.
»Das ist Gabe«, flüsterte sie zurück.
Reglos standen sie da und schauten. Die Rufe wurden lauter, doch sie konnten immer noch niemanden sehen. Dann, nach ein paar Minuten, tauchten mehrere dunkle Gestalten zwischen den Bäumen auf. Allie erkannte Carter und Gabe. Sie hatten jemanden in die Mitte genommen und schienen ihn zu schützen. Allie konnte nicht erkennen, wer es war.
»Oh, mein Gott.« Jo flüsterte immer noch.
Die Jungs hatten den Pavillon erreicht und kamen die Stufen hoch. Allie sah, dass sie verletzt waren. Carter hatte eine Schnittwunde an der Stirn, die stark blutete. Gabe hatte Blut an Hemd und Händen. Er starrte Allie böse an.
»Was hast du hier zu suchen, verdammt noch mal?«
Carter ging dazwischen. »Jetzt nicht, Mann. Wir haben schon genug Probleme.«
Behutsam legten sie den Jungen ab, den sie getragen hatten. Allie erkannte ihn nicht sofort, doch Jo schnappte hörbar nach Luft: »Oh nein – Phil!«
Gabe sah sie mit sorgenvollem Blick an. »Das wird bestimmt wieder. Sylvain ist los, um Hilfe zu holen.«
Allie zupfte an Gabes Arm und drehte ihn um. Eine klaffende Wunde an seinem Handgelenk kam zum Vorschein.
»Gabe«, sagte sie erschrocken, und die Farbe wich aus ihrem Gesicht.
Was geht hier eigentlich ab? , dachte Allie, während sie das Katastrophen-Szenario betrachtete, das sich ihr bot. Und wieso stellt niemand sonst diese Frage?
Carter kniete neben Phil und riss einen Streifen von seinem Hemd ab, den er fest um das Bein des bewusstlosen Jungen band. Dann riss er einen weiteren Streifen ab und hielt ihn Jo hin. »Binde den um Gabes Handgelenk.«
Aber Jo schien unfähig, sich zu bewegen. Sie hielt den weißen Stofffetzen, als wüsste sie nicht, was sie damit anfangen sollte.
Allie merkte, dass Jo Angst hatte. »Ich mach’s«, sagte sie, doch in dem Moment, als sie nach dem Stoff greifen wollte, ließ Jo ihn los.
Allie fing den Fetzen im Flug auf und wandte sich Gabe zu. »Streck mal deine Hand aus.«
Gabe hob seinen Arm, und Allie wickelte ihm die Behelfsbandage fest um Gelenk und Hand und versteckte am Schluss gekonnt das Stoffende darunter, damit die Bandage nicht rutschte.
»Halt die Hand über Herzhöhe, bis es nicht mehr blutet«, sagte sie wie ein Automat.
Als sie sich Phil zuwandte, bemerkte sie, dass Carter sie beobachtete.
»Du blutest auch«, sagte sie.
»Geht schon.«
»Das seh ich. Aber den Schnitt sollte sich auch mal jemand anschauen.«
Sie hörte Schritte und blickte auf. Mehrere Personen kamen auf sie zugelaufen: Sylvain ging vorneweg, dicht gefolgt von Jerry und Zelazny, der Allie irritiert ansah.
»Was macht sie hier?«, fragte er vorwurfsvoll.
Sylvains Blick wanderte kurz zu Allie. »Das können wir später klären – erst mal müssen wir uns um das hier kümmern.«
»Wie schlimm hat es ihn erwischt?«, fragte Jerry und begutachtete die Abschnürbinde.
Carter sah besorgt aus. »Ziemlich. Er braucht unbedingt einen Arzt. Er hat ’ne Menge Blut verloren.«
»Und was ist mit dir?«, fragte Jerry.
Blut tropfte aus Carters Gesicht auf sein durchtränktes Hemd, doch er sah nicht auf. »Mir geht’s gut. Ein paar Stiche, und alles ist wieder in Ordnung.«
»Gut. Du und Gabe, ihr geht sofort zur Krankenschwester. Und Sylvain hilft mir mit Phil. Alle anderen gehen jetzt wieder rein. Abmarsch!«, sagte
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