Night School 01 - Du darfst keinem trauen
als zurückzulächeln.
Einer nach dem anderen sagte nun seinen Namen. Die dünne Blondine mit dem langen, glatten Haar und dem schüchternen Lächeln hieß Lisa. Ruth war sportlich und ernst und hatte unordentliche, dunkelblonde Haare, die ihr bis auf die Schultern fielen. Neben ihr saß Phil, der mit seiner dunklen Kurzhaarfrisur und seiner trendy Brille ziemlich cool aussah. Allie hatte das Gefühl, dass zwischen Phil und Ruth etwas lief.
Das Gespräch konzentrierte sich zunächst auf Allie (»Wir haben schon so viel von dir gehört …«, »Wie findest du es in Cimmeria?«, »Also, Zelazny ist doch wirklich ein …«, »Pssst! Vorsicht, er läuft da hinten rum …«, »Gefällt’s dir hier?«) und wandte sich dann anderen Themen zu.
Abgelenkt von den Ereignissen des Tages, stocherte Allie lustlos in ihrem Essen herum, das an diesem Abend für ihren Geschmack sowieso nicht besonders gut war. Regen schlug gegen die Fensterscheiben. Am Nachmittag hatte es sich zugezogen, und jetzt goss es wie aus Eimern. Allie war so im dichten Netz ihrer Gedanken gefangen, dass sie die Unterhaltung nur bruchstückhaft mitbekam.
»Zwanzig Seiten bis Dienstag!«
»Ein tolles Lächeln …«
»Was ist denn das für ein Fleisch?«
»Geheimfleisch.«
Gelächter.
»Einer von den Lehrern hat gesagt, es soll die nächsten drei Tage regnen.«
Allgemeines Stöhnen.
Allie schaute auf.
»Es ist so langweilig hier, wenn es regnet«, erläuterte Jo. »Bestimmt wird’s rappelvoll im Gemeinschaftsraum. Wir sollten möglichst früh hingehen.«
Sobald sie zu Ende gegessen hatten, stürmten sie hinaus in den Gemeinschaftsraum. Jo besetzte ein Sofa mitten im Raum, strampelte ihre Schuhe ab und schlug die Beine unter. Allie ließ sich ihr gegenüber in einen tiefen Ledersessel sinken. Sie hatten es sich gerade bequem gemacht, als Gabe zu ihnen stieß.
Wie Allie hatte er beim Essen etwas abwesend gewirkt. »Ich kann nicht hierbleiben«, sagte er nun mit einem entschuldigenden Blick zu Jo. »Dieses blöde Projekt.«
Er küsste sie, flüsterte ihr was ins Ohr, das sie zum Lächeln brachte, und verließ eilig den Raum.
Endlich, zum ersten Mal seit gestern Abend, waren Allie und Jo allein.
»Was sollen wir machen?«, fragte Jo. »Möchtest du Trivial Pursuit spielen?«
»Jetzt gerade nicht.« Allie rutschte in ihrem Sessel nach vorn, beugte sich zu Jo hinüber und flüsterte: »Jo, was war das gestern Abend bloß? Was meint denn Gabe?«
»Hm, irgendein tollwütiger Fuchs oder so …«, sagte Jo. »Ich weiß nicht, es ist alles so schnell gegangen.«
Enttäuscht lehnte Allie sich zurück. »Das hat Sylvain auch gesagt, aber ich finde nicht, dass es sich wie ein Fuchs angehört hat.«
»Wonach hat es sich dann angehört?«, fragte Jo.
Allie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Irgendwas mit Zähnen.«
»Ein Bär?«, schlug Jo schelmisch vor. »Ein Drache? Ein Wookie ?«
»Ich mein’s ernst, Jo!«, rief Allie frustriert. »Was gestern Abend passiert ist, war real. Gabe und Sylvain haben es ernst genommen. Sie schienen nicht der Meinung zu sein, dass wir uns albern verhalten. Sie waren … na ja, vielleicht nicht verängstigt, aber so was in der Art, jedenfalls richtig angespannt. Und jetzt kommt es mir vor, als wollten alle uns einreden, wir wären hysterisch. Oder dass alles nur ein Riesenspaß war. Ich glaube aber, irgendwas war da draußen.«
Jo machte eine beschwichtigende Geste.
»Irgendwas ist da wahrscheinlich auch passiert, Allie, aber es war dunkel, und ich glaube nicht, dass irgendwer sagen kann, ob es wirklich gefährlich war oder nicht. Vielleicht haben wir uns auch nur selbst Angst eingejagt. Gabe meinte, gestern Abend seien noch Leute rausgegangen, um nachzusehen, aber sie hätten nichts gefunden.« Sie lächelte. »Das ist ziemlich ungewöhnlich, kann ich dir sagen. Normalerweise werden wir nicht von irgendwelchen knurrenden Wesen angegriffen. Also mach dich nicht verrückt.«
So ganz überzeugt war Allie nicht, doch sie wollte es auch nicht zu einer fixen Idee ausarten lassen, deshalb nickte sie zögerlich.
»Du hast recht. Bestimmt hast du recht.«
»Schön. Also, was spielen wir jetzt heute Abend?«, fragte Jo. »Wenn nicht Trivial Pursuit, … dann vielleicht Backgammon? Oder Monopoly? Tic Tac Toe?«
Jo zuliebe versuchte Allie, Interesse an Brettspielen zu heucheln, obwohl sie so was, freundlich ausgedrückt, total öde fand.
»Hast du schon mal Schach gespielt?«, fragte Jo schließlich.
Allies
Weitere Kostenlose Bücher