Night School 01 - Du darfst keinem trauen
gibt hier nirgends eine Alarmanlage. Die Alarmhinweise hier im Haus, das sind alles Fakes.«
Lisas leise Stimme brach das verblüffte Schweigen. »Und wieso?«
»Keine Ahnung«, sagte Gabe. Allie beobachtete ihn genau. Er lügt , dachte sie. Er weiß genau, wieso. Er will es nur nicht sagen.
Kein Feueralarm. Kein Einbrecheralarm. Nichts, womit man irgendwen vor irgendwas warnen könnte.
»Na gut«, wischte Jo die Alarmdebatte beiseite, »und wie kommen wir jetzt in den Klassenzimmerflügel, ohne dass jemand auf uns aufmerksam wird?«
»Ich weiß, wie«, sagte Lucas. »Und zwar folgendermaßen …«
Vierzehn
»Aua!« Jo fasste sich an den Zeh und hüpfte in der Dunkelheit herum.
»Psst!«, machte Allie und legte instinktiv einen Finger an die Lippen, obwohl Jo sie gar nicht sehen konnte. Sie blieben stehen und taten keinen Mucks.
Es war halb zwölf am Donnerstagabend, und sie standen mit nackten Füßen auf dem kalten Holz im dunklen Treppenhaus. Am Abend zuvor hatten sie bis spät an dem Plan gefeilt und auch den halben Donnerstag noch daran getüftelt. Aus dem Gebäude rauszukommen, würde absolut das Beste an der ganzen Sache werden, sagte sich Allie.
Nun lauschten sie auf Geräusche oder Indizien dafür, dass jemand sie bemerkt hatte. Doch nichts rührte sich. Sie warteten noch ein bisschen, dann tasteten sie sich weiter die Treppe hinunter, in der einen Hand die Schuhe, die andere Hand auf dem Geländer. Über die drittletzte Stufe stiegen sie vorsichtig hinweg; sie knarrte nämlich, hatte Lucas sie gewarnt. Als sie unten ankamen, warf Allie einen Blick Richtung Isabelles Büro – kein Lichtspalt unter der Tür.
Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und sie konnte nun mehr erkennen.
Auf Zehenspitzen schlichen sie durch die Halle hinüber zu der Tür, die zum Klassenzimmertrakt führte, als Allie plötzlich stehen blieb.
»Hast du das gehört?«, fragte sie atemlos, fast ohne die Lippen zu bewegen.
Jo schüttelte den Kopf, doch in diesem Augenblick hörten sie es beide. Leise Schritte. Ganz in der Nähe.
Allie wirbelte herum und suchte nach einem Versteck. Reaktionsschnell packte sie Jo am Arm und zerrte sie hinter eine Steinsäule. Sekunden später huschte ein zierlicher Schatten durch die Halle. Allie drückte sich an die Wand, doch Jo beugte sich vor und spähte in die Finsternis. Bevor Allie sie zurückhalten konnte, schlich sie hinter dem Schatten her.
»Jo!«, flüsterte Allie, doch sie bekam keine Antwort. Sie verharrte unschlüssig, dann folgte sie ihr. Es war so finster, dass Allie ungebremst in Jo hineinlief, die am anderen Ende der Halle auf sie wartete, zusammen mit Lisa.
»Hab sie erwischt!«, flüsterte Jo offensichtlich erfreut.
Lisa sah weniger begeistert aus, und Allie fragte sich, was sie überhaupt hier wollte. Bei den Besprechungen hatte Lisa sich stets zurückgehalten, doch jetzt wirkte sie völlig aufgekratzt, hüpfte nervös von einem Fuß auf den anderen wie eine Tänzerin kurz vor dem Auftritt. Die Augen in ihrem feinen Gesicht wirkten riesengroß. Allie schenkte ihr einen freundlichen Blick und deutete dann auf die Tür zu den Klassenräumen.
Jo nickte.
»Was ist mit Ruth?«, flüsterte Allie.
»Wer zu spät kommt … Wir können nicht auf sie warten.«
Allie drehte den Türknauf. Wenn es jetzt quietschte, waren sie geliefert.
Aber die Tür öffnete sich geräuschlos, Gabe hatte am Nachmittag die Angeln geölt.
Leise schlüpften sie hindurch und rannten dann so schnell sie konnten über den langen Flur. Die Tür am anderen Ende war mit hochoffiziell aussehenden Hinweisen beschildert, die vor Alarmen und Sicherungsanlagen warnten und angaben, wo man im Notfall anzurufen hatte. Allie fragte sich, wer wohl ranginge, wenn sie die entsprechende Nummer wählte.
Einen Moment lang standen sie reglos im Dunkeln und sahen sich an, dann legten alle gleichzeitig eine Hand an die Tür, und auf Jos Nicken drückten sie.
Die Tür öffnete sich lautlos.
Der Kies auf dem Weg draußen schnitt in ihre nackten Füße. Hopsend versuchten sie, die Schuhe anzuziehen, ohne aufzuschreien.
Bei der Vorstellung, wie lächerlich ihr Anblick wirken musste, falls sie jemand beobachtete, hätte Allie fast losgekichert.
»Auf die Plätze – fertig – los!«, flüsterte Jo. Hand in Hand rannten alle drei ungestüm in die Nacht hinaus.
Als sie die Bäume erreicht hatten, waren Jo und Lisa völlig außer Puste. Sie blieben kurz stehen, um wieder zu Atem zu
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