Night School 02 - Der den Zweifel saet
Was ich besonders gruselig finde, weil da oben auf dem Turm gar nichts mehr ist.« Wieder senkte Zoe ihre Stimme zu einem Flüstern. »Sie muss da also irgendwie rumschweben oder so …«
»Hallo, Leute!«, ertönte da Lucas’ Stimme aus dem Nichts, und alle schrien auf. Er knipste seine Taschenlampe an. »Mensch, was ist denn mit euch los?«
»Zoe hat uns gerade eine grässliche Geschichte erzählt«, verteidigte sich Jo.
»Ach so.« Er grinste Zoe an. »Ging es um die Schwebe-Lady, oder was?«
Sie lächelte zurück. »Klar doch.«
Die beiden klatschten sich ab. »Toll. Ich liebe diese Geschichte. So schön gruselig.«
»Wo sind denn die anderen?«, fragte Allie. Sie leuchtete mit ihrer Lampe ringsum, sah aber außer Bäumen kaum etwas.
»Ist noch ein Stückchen«, erklärte Jo.
Aus der Ferne trug der Wind gedämpftes Lachen zu ihnen herüber.
»Brennt das Feuer schon?«, fragte Jo, während sie weitergingen.
»Sie waren gerade dabei, es anzuzünden, als ich weg bin«, sagte Lucas. Er wirkte besorgt. »Ich bin auf der Suche nach Rachel. Habt ihr sie gesehen?«
»Sie wollte doch gar nicht mitkommen«, sagte Allie erstaunt. »Hat sie dir das nicht gesagt?«
»Doch.« Die Hände tief in den Taschen, kickte er einen Stein den Hügel hinunter. »Ich hatte gehofft, dass sie es sich anders überlegt.«
»Setz dich zu uns«, sagte Zoe. »Wir knutschen rum, mit Zunge.«
Er blinzelte irritiert. »Wie bitte?«
»Ohne Zunge, Zoe«, korrigierte Jo sie pikiert.
»Och«, sagte Allie, »auf Wunsch auch mit.«
Je mehr sie sich der Anhöhe näherten, desto flacher wurde der Hang, und Allie konnte den alten Turm nun gut erkennen. In der Luft lag der süßliche Geruch von Brennholz, man hörte Gelächter und Rufe.
Während sie über felsiges Gelände zur Burg stiegen, löste sich der unsichtbare Ring der Unruhe, den Zoe mit ihrer Geschichte um sie gelegt hatte, wieder.
Lucas führte sie zu einer Stelle, an der herabgefallene Steine natürliche Stufen zur alten Burgmauer hinauf bildeten, die oben gut einen Meter dick war. Einen Augenblick lang standen sie nur in einer Reihe da und sahen hinunter, wo ein riesiges Lagerfeuer loderte. Drum herum saßen wie beim Hexensabbat Schüler, die sich unterhielten und herumalberten.
Als sie näher kamen, stürzte sich Katie auf Allie: »Na, da bist du ja.« Sie trug eine Skijacke und eine weiße Kaschmirmütze. »Willkommen. Da gehen ein paar Flaschen rum, und Marshmallows natürlich. Setzt euch zu uns«, sagte sie mit einem entwaffnenden Lächeln und kehrte zum Feuer zurück.
Allie blieb ein Stück zurück und flüsterte Jo zu: »Bei Katie muss was kaputt sein. Reparier sie.«
»Die hasst dich ja gar nicht mehr … Seit wann das denn?«, fragte Jo perplex. »Wieso hat man mich darüber nicht informiert?«
»Ich kann die nicht leiden«, murmelte Zoe vor sich hin. Dann entdeckte sie ein paar Schüler, die sie kannte, und lief zu ihnen.
Als sie das Feuer erreichten, hielt Allie instinktiv Ausschau nach Carter, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Dafür erspähte sie in der Schülerschar Sylvain. Bis auf ein paar Narben sah sein Gesicht wieder ziemlich normal aus. Nur das Würgemal an seinem Hals hatte sich gehalten. Er saß neben Nicole, die in ihrem langen schwarzen Mantel mit passenden Ohrschützern einfach bezaubernd aussah. Es versetzte Allie einen Stich – die beiden wirkten einfach perfekt als Paar. Als Nicole merkte, dass Allie über die Flammen hinweg zu ihnen hersah, winkte sie mit einer Champagnerflasche und lächelte.
Allie hob die Hand und versuchte zurückzulächeln.
Jo zog sie ganz nach vorn, wo es am wärmsten war, und sie setzten sich auf einen großen Stein, der unverkennbar einmal Teil der Burgmauer gewesen war. Gleich darauf gesellte sich auch Zoe wieder zu ihnen.
Einer der Schüler hielt einen langen dünnen Stock ins Feuer. Das Marshmallow am Ende verströmte einen süßen Duft, der Allie an Campingplätze und Kindheit erinnerte. Sie atmete tief ein.
»Allie auch haben!«, bettelte sie mitleiderregend.
»Lucas«, rief Jo im Befehlston.
Der Gerufene hob fragend die Braue.
»Ein Marshmallowstock-Dingens, bitte.«
Von einem Brennholzstapel hinter ihm nahm Lucas einen frisch geschnittenen Zweig, der etwa die Länge einer Peitsche hatte. Jemand reichte ihnen eine Tüte Marshmallows.
Wein-und Champagnerflaschen wurden herumgereicht. Manche Schüler hatten Plastikbecher, andere tranken direkt aus der Flasche. Als ein Mitschüler Jo eine Flasche
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